Interview mit dem Autor Cornelius Hartz

Cornelius Hartz

Ich freue mich heute mit Cornelius Hartz mal wieder einen Autor zum Interview in der ABS-Lese-Ecke begrüßen zu können. Cornelius Hartz hat Romane, Krimis und Sachbücher geschrieben. Unter anderem auch den Alternative-History-Thriller „Transit“, durch den ich auf diesen Autor aufmerksam geworden bin.

Guten Tag, Cornelius Hartz.

Moin!

Kannst du uns kurz erzählen, um was es in „Transit“ geht?

Der Roman spielt heute, aber vor dem Hintergrund eines alternativen Geschichtsverlaufs: In der Fiktion dieses Thrillers ist es so, dass die Montagsdemonstrationen in Leipzig im Herbst 1989 blutig niedergeschlagen worden sind. Die Wende hat es so also nicht gegeben, die DDR besteht nach wie vor. Als sozialistische Insel in Europa hat sie sich seit Anfang der 90er Jahre vollkommen nach außen abgeschottet, während sich um sie herum der Ostblock aufgelöst hat. Privatreisen zwischen Ost- und Westdeutschland sind verboten, und das diktatorische Regime verschanzt sich hinter Hi-Tech-Sicherheitsanlagen einer neuen Berliner Mauer. Trotzdem wird die DDR noch immer von der Bundesrepublik wirtschaftlich unterstützt, durch Kredite und Devisenzahlungen.
Das ist der Hintergrund, vor dem sich die Geschichte abspielt. Das Ganze beginnt im Oktober 2012: Alexander Fuhrmann arbeitet im Amt für innerdeutsche Beziehungen in West-Berlin, und er hofft auf eine neue Zeit der Annäherung an die DDR – seit der neue DDR-Staatsratsvorsitzende am Ruder ist, stehen die Zeichen auf Entspannung. Offenbar will die DDR-Führung die Aufnahme in die EU beantragen und ist zu Kompromissen bereit. Im Zuge dessen darf Alexanders Freundin Marie, Lehrerin für Politik, eine Klassenreise nach Ostdeutschland organisieren – ’89 ganz normal, 2012 eine echte Sensation. Doch beide haben die Rechnung ohne die Stasi gemacht, die die DDR vor dem Untergang bewahren will, um jeden Preis. Und so schliddern sie bald in eine groß angelegte politische Intrige hinein.

Wie bist du auf die Idee zu diesem Buch gekommen?

Ich war früher oft in der DDR; wir hatten eine Partner-Kirchengemeinde in Wismar. Leider war ich, als die Mauer fiel, gar nicht in Deutschland, sondern als Austauschschüler in den USA – da wurde das alles in den Nachrichten nur ziemlich oberflächlich behandelt. Trotzdem habe ich mich nach meiner Rückkehr intensiv mit den politischen Entwicklungen beschäftigt, oder vielleicht sogar deswegen. Als es in den 2000er Jahren dann diese „Ostalgie“-Shows auf den Privatsendern gab, wo kritische Stimmen relativ selten waren, hatte ich immer das Gefühl, man müsste sich mehr klarmachen, was für ein Glück wir alle hatten, dass damals alles so gelaufen ist – nicht nur wir Deutschen übrigens. Denn ein paar Mal hing die ganze Wende ja am seidenen Faden. Zum Beispiel am 9. Oktober 1989 in Leipzig. Dass aus Berlin der Befehl gekommen wäre, zu schießen, war an jenem Abend nicht ganz unwahrscheinlich.

Neben einer Sammlung von Kriminalfällen aus der Antike und einem Buch über berühmte letzte Worte hast du auch eine Krimireihe um den Hauptkommissar Brook geschrieben. Wenn man manchen Amazon-Rezensionen trauen kann, ist dieser Brook eher ein unsympathischer Typ. Funktioniert das – ein unsympathischer Protagonist einer Reihe?

Moment mal, mir (und vielen anderen Lesern auch) ist Kommissar Brook sehr sympathisch! Ich glaube, dass manche Brook nicht so angenehm finden, liegt daran, dass er sehr norddeutsch ist. Er ist eben ein typischer Hamburger, der nicht sofort mit jedem warm wird – und so auch manche Leser nicht mit ihm. Das mag auch an ganz generellen kulturellen Unterschieden zwischen Nord- und Süddeutschland liegen. Trotzdem finden auch Leser, denen er unsympathisch ist, den Brook dennoch interessant – und das ist für mich ja die Hauptsache: dass man Spaß an meinen Krimis hat und sie spannend findet. Und mal ehrlich, wenn man aufs Fernsehen guckt: Sherlock, Dr. House oder Walter White sind ja auch nicht gerade das, was man unter einem „sympathischen Menschen“ versteht.

Deine eBooks sind gerade mal 1 € billiger als die Taschenbuch-Ausgaben. Werden die tatsächlich gekauft? Normalerweise sind eBooks doch wesentlich günstiger.

Nein, das stimmt nicht. Die eBooks von Verlagen bewegen sich immer ein wenig unterhalb des Verkaufspreises fürs normale Buch. Billige eBooks für ein paar Euro gibt es nur von Self-Publishern, und die meisten eBooks für ein, zwei Euro taugen dementsprechend literarisch gesehen auch nichts. Bei Billig-eBooks gibt es meistens kein Lektorat und kein Korrektorat und vor allem keine Instanz, die im Vorfeld guckt, ob ein Roman überhaupt etwas taugt, also veröffentlicht werden sollte oder nicht. Das muss ja alles bezahlt werden. Und ich glaube, die Leser wissen das auch. Soweit ich das verfolgen kann, werden von meinen Krimis fast so viele eBooks verkauft wie Taschenbuch-Ausgaben.
Wenn man bei billigen eBooks nach Qualität sucht, dann kann man z. B. darauf achten, ob der Autor oder die Autorin schon anderswo, sprich: bei einem Verlag etwas veröffentlicht hat. Ich habe ja „Transit“ auch in Eigenregie herausgebracht. Als ich den Roman damals fertig hatte, schien das Thema DDR im Bereich Thriller vielen Verlagen schon zu abgegriffen – und eine Alternative-History-Geschichte der so jungen Vergangenheit hat da auch nicht jedem behagt. Die Geschichte ist mitunter etwas schmerzhaft, das muss ich zugeben, das war sie auch für mich beim Schreiben.

Außer Krimis und Thriller schreibst du auch Sachbücher, meist über die Antike. Hast du da kein Image-Problem? In Deutschland schreibt man doch entweder etwas Ernsthaftes oder Unterhaltungsliteratur.

Nein, gar nicht. Es sind ja populärwissenschaftliche Bücher, keine Wissenschaft. Ich orientiere mich da eher an den Amerikanern, die schreiben nämlich die besten Sachbücher, und die trennen da gar nicht. In den letzten Jahren habe ich ein paar US-Sachbücher übersetzt, die lesen sich fast wie Belletristik oder beinhalten Belletristik-Elemente. Das ist sehr spannend. Ich versuche auch meine Sachbücher so zu schreiben, dass sie unterhaltsam sind und man sie gerne liest, genau wie meine Romane. In meiner Doktorarbeit habe ich das auch schon versucht, witzig und gut lesbar zu schreiben. Das ist damals so manchem ergrautem Professor sauer aufgestoßen. An der Uni Hamburg hatte man damit zum Glück kein Problem.

Wie kommt ein promovierter Philologe, der auch mal Uni-Dozent war, dazu als Übersetzer, Lektor und Autor zu arbeiten?

Zum Schreiben bin ich über meine Dissertation gekommen. Da habe ich gemerkt, dass ich gern formuliere, dass es mir Spaß macht, mit meinen Worten etwas zu schaffen. Und aus der Doktorarbeit heraus entstand sozusagen als literarischer Ableger mein erster Roman, ein historischer Roman, der im alten Rom spielt („Excrucior“, Zabern-Verlag 2008). Zu einem bestimmten Zeitpunkt musste ich mich dann entscheiden, ob ich an der Uni Karriere machen will oder nicht. Das war schon die Zeit der Umstrukturierungen nach Bologna, und ich habe zum Glück ganz richtig erkannt, dass da kein Blumentopf mehr zu holen ist und umgesattelt. Dann war ich erst in einem Verlag als Lektor tätig und habe mich danach selbständig gemacht. Übersetzt habe ich damals schon ein paar Jahre nebenbei; ich hatte ja auch Englisch studiert, das half mir sehr, genau wie mein Jahr in den USA. Und mit meinen Brook-Krimis ging dann die Schriftsteller-Karriere los.

Du betreust auch das Literaturlabor Wolfenbüttel. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Das ist eine Fördermaßnahme für junge angehende Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die seit 2001 von der Stiftung Niedersachsen finanziert bzw. betreut und von der Bundesakademie Wolfenbüttel ausgerichtet wird. Da können sich jedes Jahr bis 1. November alle, die Schreiben und 16–21 Jahre alt sind, bewerben, aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Wir als Jury wählen dann 12 Kandidaten aus, mit denen wir innerhalb eines Jahres drei lange Wochenenden zusammen arbeiten. Das Ganze betreue ich zusammen mit meiner Schriftsteller-Kollegin Kathrin Lange („40 Stunden“) und mit Friederike Kohn, und bei einem der drei Treffen ist immer eine bekannte Autorin oder ein Autor dabei. In den letzten Jahren waren das z. B. Benjamin Lebert, Ursula Krechel oder Doris Gercke, und die arbeiten mit uns an den Texten der Teilnehmer. Beim Literaturlabor Wolfenbüttel sind schon einige Karrieren gestartet, Finn-Ole Heinrich hat hier in jungen Jahren angefangen, genauso wie Jörg Albrecht, Rabea Edel und Cornelia Travnicek.

Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du auch als DJ arbeitest. Welche Musik spielst du?

Ich lege meistens Swing auf, original Big-Band-Swing von vor dem Zweiten Weltkrieg. Regelmäßig lege ich am 1. Sonntag im Monat im „Haus 73“ im Hamburger Schanzenviertel auf. Ich bin zum Swing übers Tanzen gekommen, und mittlerweile habe ich ein ziemlich großes Archiv mit Musik aus den 30er und 40er Jahren. Das ist aber wirklich nur eine Liebhaberei nebenbei.

Was liest du selber?

Ich lese gerne alte Krimis aus den 70ern, z. B. habe ich viele Bände aus der Reihe „rororo thriller“. Da gehören Sjöwall/Wahlöö und -ky zu meinen Favoriten. Und ich bin ein großer Fan von Michel Houellebecq. In erster Linie interessiere ich mich aber für die zeitgenössische deutsche Literatur. Die letzten Bücher, von denen ich begeistert war, waren „Magical Mystery“ von Sven Regener, „Brennerova“ von Wolf Haas und „3000 Euro“ von Thomas Melle. Schade, dass Melle nicht den Deutschen Buchpreis gewonnen hat. Frank Schulz habe ich noch vergessen, eines der verkannten Genies unserer Zeit.

Schreibst du schon an einem neuen Buch?

An irgendetwas schreibe ich immer. Mein nächster Krimi ist gerade in erster Fassung fertig geworden, da dauert es allerdings noch eine Weile, bis er herauskommt. Mein nächstes Sachbuch erscheint im Sommer 2015, es heißt „Orgien, wir wollen Orgien!“ Da geht es darum, wie die alten Römer feierten. Daneben schreibe ich übrigens auch an einem Kinderbuch, das macht Spaß, ist aber längst noch nicht spruchreif.

Vielen Dank für das Interview, Cornelius Hartz. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.

Danke, ebenso!

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