Interview mit der Autorin Rosemarie Benke-Bursian

Rosemarie-Benke-Bursian

Heute kann ich wieder eine ausgesprochen vielseitige Autorin zum Interview begrüßen. Rosemarie Benke-Bursian ist Wissenschaftsjournalistin, Autorin, Lektorin und Schreibcoach.

Guten Tag, Rosemarie Benke-Bursian.
Guten Tag, Ann-Bettina und vielen Dank für diese freundliche Vorstellung.

Du hast schon zahlreiche Bücher aus sehr unterschiedlichen Genres veröffentlicht. Wie lange schreibst du schon?
Im Grunde seit meiner Kindheit. Meine ersten kleinen Geschichten entstanden, als ich ca. 9 Jahre alt war. Und es hat mich nie ganz losgelassen, auch wenn es immer wieder schreiblose Phasen gab. Doch irgendwann war dann wieder eine Geschichte in mir, die unbedingt raus wollte.
Während und nach meiner Studienzeit kam das Interesse an Sachtexten dazu. Da bin ich sozusagen hineingeschlittert, weil man mir immer entsprechende Aufträge übertrug.

Dass eine Biologin Sachbücher über Tiere oder Evolution schreibt, ist ja naheliegend. Aber wie bist du auf die Themen Physik und Kosmologie gekommen?
Da bin ich gar nicht selber drauf gekommen. Meine Agentur hat um diese Texte angefragt, so wie auch zu den biologischen Sachbüchern. Diese Agentur handelt im Auftrag von Verlagen, die für ein Sachbuch keine Hausautoren haben und sich deshalb an die Agentur wenden, die solche Autoren in ihrer Kartei führt.
Natürlich kann ich unpassende Anfragen ablehnen, aber als Biologin bin ich eine Naturwissenschaftlerin, die im Studium die Fächer Chemie und Physik mit studieren musste. Astronomie habe ich allerdings nur aus reinem Interesse mitverfolgt. Sowieso ist die Trennung von Biologie, Chemie und Physik eine eher künstliche, um die Naturwissenschaft besser überschaubar und greifbar zu machen. Inzwischen muss man auch Biologie, Chemie und Physik in Zoologe, Botanik, Genetik analytische Chemie usw. aufteilen, um sie zu beherrschen, wobei die Verflechtungen über die Teilgebiete Biochemie, Biophysik, Astrophysik u.a. m dann besonders deutlich werden.
Ganz persönlich habe ich schon immer vor allem das Verbindende bzw. die Zusammenhänge hinter den Dingen gesucht und die Biologie eint in besonderem Maße alle Bereiche der Naturwissenschaft. Denn Leben bedeutet Stoffwechsel und damit chemische Vorgänge, die sich wiederum über die physikalischen Eigenschaften der Stoffe erklären, die wiederum ihren Ursprung im Kosmos haben.
Ich versuche das mal an einem Beispiel zu verdeutlichen: Das Sonnenlicht braucht gute 8 Minuten, bis es auf der Erde ankommt. Grüne Pflanzen wie Salat fangen es ein und verwandeln das Licht in chemische Energie. Pflücke ich bei Sonnenlicht so ein Salatblatt und esse es, nehme ich damit die Energie von Sonnenlicht auf, das ca. 9 Minuten zuvor auf der Sonne entstanden ist.
Anderes Beispiel: Lebewesen bestehen zum großen Teil aus Wasser, chemisch betrachtet lauter Wasserstoff-Sauerstoff-Moleküle. Der Wasserstoff in diesen Molekülen verbindet uns sogar mit dem ganz frühen Kosmos, denn jedes einzelne Wasserstoffatom, das heute im Weltall existiert, wurde bereits wenige Minuten nach dem Urknall gebildet und hat sich danach nicht mehr geändert. Wir tragen also Elemente in uns, die fast so alt sind, wie das Weltall selbst.
Solche Gedanken finde ich faszinierend. Sie verbinden für mich die Naturwissenschaft mit Philosophie und Magie und nicht zuletzt auch mit Fantasie.

Diese beiden Sachbücher hast du zusammen mit anderen Autoren geschrieben. Ist das nicht schwierig, wenn mehrere Autoren an einem Buch arbeiten? Wie habt ihr das organisiert?
Das hat die Agentur organisiert und war zumindest beim Kosmologiebuch der Kürze der Zeit geschuldet. Andererseits hat man als Autor die Möglichkeit, nur einen Teil eines Buchauftrages zu übernehmen. Wenn mehrere Autoren gleichzeitig am Manuskript schreiben, kann es natürlich nach wenigen Wochen fertig sein. Verlag bzw. Lektorat und Fachlektorat übernehmen dabei die Koordination. Sie lassen sich die Manuskripte portionsweise schicken und sehen so frühzeitig, wenn es irgendwo hakt, oder können es den anderen Autoren weiterleiten. Bei dem Physikbuch bekam ich z.B. das Kapitel über Quantenphysik zugeschickt, damit ich meinen Teil über die Elementarteilchen darauf abstimmen konnte.

Du hast auch mehrere Kinderbücher geschrieben. Hast du selber Kinder, die dich dazu inspiriert haben?
Ich habe einen Sohn. Aber Kindergeschichten habe ich schon vor seiner Geburt geschrieben. Genau genommen habe ich als Kind mit Kindergeschichten angefangen und nie mehr damit aufgehört.
Ich habe mal gelesen, dass Naturwissenschaftler deshalb so begeistert zweckfreie Forschung betreiben würden, weil sie sich bis ins hohe Alter kindliche Neugierde und Freude bewahren. Damit kann ich mich sehr gut identifizieren. Vielleicht habe ich mich deshalb Kindern auch immer sehr verbunden gefühlt und den Umgang mit ihnen gepflegt.
Als mein Sohn auf der Welt war, hat aber natürlich auch er mich beeinflusst. Dabei hatte ich das Glück, dass er  immer gerne und viel gelesen hat und zudem noch ein großer Fan meiner Kindergeschichten wurde. Gleichzeitig war er sehr kritisch und hat kein Blatt vor den Mund genommen, wenn ihm etwas nicht gefallen hat.

Deine Krimis sind sowohl als Bücher als auch in Zeitschriften veröffentlicht worden. Was war zuerst da, kurze Krimis für Zeitschriften oder längere für ein Buch? Was liegt dir mehr?
Kurze Krimis. Mein Erster erschien in einer Publikumszeitschrift, die auf der Suche nach Minikrimis war. Das empfand ich als reizvolle Herausforderung, da ich doch auch ein großer Krimifan bin. Dass mein Minikrimi genommen wurde, war ein Ansporn,  diese Richtung weiter zu verfolgen. Und so schrieb ich zunächst weiter kurze Krimis, die ich zu Wettbewerben, an Literaturzeitschriften und zu Ausschreibungen für Anthologien schickte. Die Länge der Krimis ergab sich aus den jeweiligen Vorgaben, meist 10.000 – 20.000 Zeichen. Dazu kam das Glück, dass eine Lektorin bei mir nach genau solchen Krimis für ein E-Book anfragte. So entstand meine erste E-Book-Sammlung von Kurzkrimis und anderen spannenden Geschichten – „Dunkel war’s“. 2014 folgte die zweite Krimi-Sammlung „Tödliche Begegnungen“.

Tödliche Begegnungen

Einen längeren Krimi habe ich erst später begonnen. In dem Zustand, geplottet und erste Kapitel ausformuliert, ist er heute noch. Da bin ich an der Entscheidung „Regio-Krimi oder nicht“ hängen geblieben. Aber das ist ein ganz eigenes Thema.

Außerdem hast du eine Reihe von Kurzgeschichten für Anthologien geschrieben. Eine ganze Reihe dieser Geschichten sind ausgezeichnet worden. Würdest du Autoren empfehlen, sich um eine Veröffentlichung in einer Anthologie zu bemühen?
Ich würde sicher nicht davon abraten. Gestandene Autoren haben sich aber bereits einsortiert und wissen selbst, ob das für sie eine Option ist oder nicht. Man muss dieses Genre mögen, denn Kurzgeschichten sind nicht einfach kleine Romane, sondern folgen ganz eigenen Regeln.
Neuautoren würde kann ich das aber durchaus empfehlen, denn eine Kurzgeschichte in einer Anthologie zu veröffentlichen bietet einige Vorteile. Zunächst einmal ist das Schreiben von Kurzgeschichten eine richtig gute Übung, das Schreibhandwerk zu lernen. Es gibt sogar eine Reihe Foren und Gruppen im Netz zu finden, die regelmäßig Kurzgeschichten schreiben und sich darüber austauschen. Und so ein Austausch mit anderen Autoren ist natürlich auch Gold wert.
Außerdem gibt es für Kurzgeschichten regelmäßig Ausschreibungen, an denen sich etablierte Autoren sehr viel weniger beteiligen. Ausländische Lizenzen, die sonst den Einstieg in den Buchmarkt erschweren, spielen gar keine Rolle. Somit hat man als neuer Autor eine gute Chance, zum Zuge zu kommen.
Der Abdruck in einer Anthologie bedeutet eine offizielle Veröffentlichung in einem Verlag, die man, was Anerkennung, Image und künftige Chancen angeht, nicht unterschätzen sollte. Die Aufnahme in eine Anthologie bedeutet immerhin eine Auswahl, ist ein positives Feedback durch Dritte, dass die Geschichte gefällt. Danach sehnt sich im Grunde jeder Autor, erst recht, derjenige, der gerade anfängt. Außerdem erhält man ein Verlagslektorat, während man die Rechte an der Geschichte meist behält. Und mit ein bisschen Glück bekommt man über die Anthologie einen guten Draht zum jeweiligen Verlag und womöglich die Einladung oder zumindest das Okay, ein Manuskript zu einem eigenen Buchprojekt einzureichen.
Mit Anthologien lässt sich weiterhin eine eigene Autorenwebsite gestalten, kann man Lesungen halten und sie können Türöffner zur Teilnahme an anderen Ausschreibungen und / oder für die Anmeldung in diverse literarische Vereinigungen sein.
Natürlich lässt sich heutzutage einiges davon auch durch Selfpublishing erreichen. Und wer lieber diesen Weg geht, der sollte das tun. Auch das ist ein gangbarer Weg, sich als Autor zu etablieren, denn das Image von Indies hat sich doch sehr gewandelt.
Letztlich muss der gewählte Weg zum Autor passen. Wer einen Roman im Kopf hat und sich mit dem Schreiben von Kurgeschichten nicht anfreunden kann, der sollte sich auch nicht verbiegen. Nichts kann die persönliche Entwicklung mehr blockieren, als ein Weg, der nicht der eigene ist.

Du bietest auch Kurse im Rahmen einer Schreibwerkstatt sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene an. Kann man heute Kinder und Jugendliche überhaupt noch für das Schreiben und Lesen begeistern?
Auf jeden Fall. Das zeigt auch der aktuelle Trendbericht vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Der Kinder- und Jugendbuchmarkt wächst. Vor allem die jüngeren – die unter 12-Jährigen – sind oft begeisterte Leser.
Ebenso denke ich, erfinden viel mehr Kinder, als man denkt, zu Hause kleine Geschichten. Häufig lassen sie sich dabei von Serien und Lieblingsbüchern inspirieren und erfinden für ihre „Helden“ neue Episoden und Geschichten bzw. schreiben über das Ende hinaus weiter.
Diese Begeisterung am Schreiben zeigt sich auch darin, dass viele meiner Schreibwerkstattkinder immer wieder kommen, manche begleite ich schon seit mehreren Jahren. Und es ist einfach toll, mitzuerleben, welche Entwicklung sie in dieser Zeit gemacht haben, wie sie ihren Schreibstil und ihr handwerkliches Können verfeinern, auch ohne dass ich das explizit in sie hineinunterrichte.

Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du eine Veranstaltung »Wandern + Schreiben« anbietest. Das ist eine originelle Idee. Wie läuft das ab?
Durch eine andere Arbeit bin ich im Netz auf Kurse zu „Wandern und Malen“ gestoßen, in denen die Teilnehmer durch die Natur wandern, um sich zu neuen Bildern inspirieren zu lassen. Da hat es bei mir „Bäng“ gemacht.
Dass Gehen und langsames Wandern das Denken fördert, wussten schon die alten Philosophen und wandelten umher, wenn sie konzentriert denken wollten. Und auch Goethe ist regelmäßig gewandert. Ein berühmtes Zitat von ihm lautet: „Die besten Gedanken kommen mir beim Wandern.“ Das wurde für mich zum Leitsatz für meine Idee.
Bewegung hilft, den Kopf frei zu machen und schöpferische Kräfte freizusetzen. All das greife ich in diesem Kurs „Wandern und Schreiben“ auf. Und ich habe das Glück, mit einer Wanderführerin befreundet zu sein, die uns dabei über besonders schöne Wanderwege führt.
Zur Inspirations-Unterstützung habe ich einen kleinen Fragenkatalog entwickelt, den die Teilnehmer zu Beginn der Wanderung ausgehändigt bekommen. Diese Fragen sollen helfen, die Poesie, Szenen und Geschichten, die in der Natur liegen, zu entdecken. Es steht aber jedem frei, sie zu nutzen. Unterwegs halten wir immer wieder an, damit man sich Notizen machen kann, denn es hat sich gezeigt, dass schon nach kurzer Zeit der Kopf vor lauter Eindrücken, Ideen, Szenen und Gedanken überquellen kann.
Nach der Wanderung gibt es noch eine Schreibphase, in der man seine Ideen ordnen und skizzieren kann. Die können dann zu Hause weiter entwickelt werden oder die Teilnehmer kommen in meine Schreibwerkstatt, um dort weitere Unterstützung zur Ausfertigung zu erhalten.

Bei so viel Schreiberei kommst du überhaupt noch dazu, etwas anders zu machen?
Ich denke, man kommt nur dazu, wenn man sich die Zeit dafür bewusst nimmt. Und das tue ich, denn dauerndes Schreiben würde ja auch Dauersitzen heißen, was ganz ungesund wäre. Also mache ich bewusst Pausen, in denen ich mich dann auch gerne bewege. Im Sommer nutze ich kleinere Pausen gerne für Gartenarbeit. Dabei bekomme ich zudem oft die besten Ideen, ganz nach dem Motto von „Wandern und Schreiben“, dass Bewegung schöpferische Kräfte frei setzt.
Bewegung und Sport spielen in meinem Leben aber sowieso eine wichtige Rolle und so treffe ich mich regelmäßig mit einer Freundin zum Walken und pflege meinen Lieblingssport Tischtennis als Vereinssport. Als Jugendtrainerin komme ich dabei auch wieder viel Kindern und jungen Menschen zusammen.
Vor Ort bin ich noch in einer kulturellen Gruppe engagiert und ich bin Mitglied bei den „Mörderischen Schwestern“, einer Vereinigung deutschsprachiger Krimibuchautorinnen, und dabei in der regionalen Gruppe aktiv. Das alles sind Kontakte, die mir sowohl privat als auch beruflich sehr wertvoll sind. Dazwischen kommen Verabredungen mit Freunden, auch das ist mir wichtig.
Bei diesen Auszeiten und Ablenkungen tanke ich auf und bin anschließend wesentlich kreativer, leistungsfähiger und ausgeglichener, als wenn ich versuche, diese Zeit in noch mehr Schreiben zu investieren.

Arbeitest du schon an einem neuen Buch?
Jein. Zurzeit verfolge ich mehrere Buchprojekte. So koordiniere ich ein Buch mit vielen Künstlern, suche für eine Kinderbuchreihe einen Verlag, überarbeite einen Kurzroman, und habe mit einer dritten Krimi-Sammlung begonnen, für die einige Geschichten noch fertig geschrieben werden müssen. Und dann liegt da auch noch der längere Krimi sowie ein paar geplottete Ideen.
Und wer weiß, vielleicht trudelt in all diese Aktivitäten auch unverhofft wieder ein Auftrag zu einem Sachbuch.

Was möchtest du uns sonst noch erzählen?
Du hast zu Beginn meine Vielseitigkeit angesprochen. Die empfinde ich selbst als höchst befriedigend, da ich hierin vor allem die verbindenden Elemente sehe, die sich gegenseitig bereichern. Zum Beispiel spielen in meinen Kindergeschichten nicht selten Tiere eine Rolle. Da hilft die Biologin, denen etwas ganz Charakteristisches mitzugeben. Sachtexte zwingen, konzentriert und strukturiert zu schreiben, was beim Geschichtenschreiben hilft, den Faden nicht zu verlieren. Das Schreiben von Geschichten zwingt, den Leser im Auge behalten, der nicht gelangweilt werden möchte. Das ist eine große Hilfe, Sachbücher kurzweilig zu schreiben, so dass sie nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam sind und vielleicht sogar eine gewisse Spannung in sich tragen. Alles in allem verhindert diese Vielfalt, dass ich ein irgendeiner Routine erstarre. Und sie führt dazu, dass ich ständig Neues lerne, mich  immer wieder in neue Themen einarbeiten muss, was wiederum meiner Wissbegierde sehr entgegenkommt.
Mit anderen Worten, für mich fühlt sich das alles total rund an.

Vielen Dank für dieses Interview, Rosemarie Benke-Bursian. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen zahlreichen Aktivitäten.
Und ich bedanke mich, dass du mich zu diesem interessanten Interview in deine ABS-Lese-Ecke eingeladen hast, und wünsche dir ebenfalls viel Erfolg für deinen tollen Blog.

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