Interview mit der Autorin Brigitte Cleve

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Heute kann ich mit Brigitte Cleve eine Autorin zum Interview begrüßen, die Biografien, Kurzgeschichten und Romane geschrieben hat.

Guten Tag, Brigitte Cleve.

Deine neueste Veröffentlichung ist der Roman »Meerraben«. Kannst du uns kurz etwas dazu erzählen?

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Die Romanhandlung zeichnet das Leben der 72-jährigen Protagonistin Lina Martens nach – einer Frau der so genannten „vergessenen Generation“ von Kriegs- und Flüchtlingskindern. Seit einem Dreivierteljahr verwitwet und bei der Betrachtung ihrer Lebensbilanz ernüchtert, erkennt sie, dass sie sich ihr Leben lang allen an sie gestellten Anforderungen nur angepasst hat. Sie war gehorsame Tochter, aufopfernde Mutter eines unehelich geborenen Sohnes und bis zum Tod ihres Mannes, den sie aus Versorgungsgründen heiratete, dessen bescheidene, anspruchslose Ehefrau.

Du hast erst angefangen zu schreiben, als du in Rente gegangen bist. Woher der plötzliche Drang zu schreiben?

Bevor ich in Rente ging, war ich ein Vierteljahrhundert bei der Deutschen Bank angestellt und musste Berge von Aktennotizen sowie Referate für Vorgesetzte schreiben, die sie meistens als ihr eigenes Gedankengut ausgaben.
Meine Tätigkeit von 2003 bis 2008 in einer Diakonie-Sozialstation bedingte, dass ich Biografien und Krankenberichte über Patienten zu verfassen hatte.
Meine 2008 über BoD veröffentlichte Autobiografie „Werde ich im Winter noch Blumen finden?“, hatte ich zunächst nur für die Familie geschrieben, bis ich von einer befreundeten Germanistin und Autorin animiert wurde, sie zu veröffentlichen.
Seitdem empfand ich es als unglaubliche Befreiung, nur noch zu schreiben, was mir Spaß machte. Kritiker aus der damaligen Zeit machten mich zu Recht darauf aufmerksam, dass ich mir unbedingt mein Aktennotizendeutsch abzugewöhnen hätte.

Wie ist der Wartberg Verlag darauf gekommen, dich zu fragen, ob du über das Leben Flensburger Bürger schreiben könntest?

2010 kontaktierte mich der Wartberg-Verlag, als ich noch Vorstandsmitglied des Verbandes Schriftsteller in Schleswig-Holstein e. V. war. Ich sollte mich umhören, ob irgendeiner der in Flensburg ansässigen und geborenen Autoren Interesse hätte, im Rahmen der Serie „Aufgewachsen in …“ über in den 40er/50er Jahren in der Fördestadt aufgewachsene Kinder zu schreiben. Erfolg hatte ich damit nicht, den Angesprochenen waren wohl die Recherchearbeiten in dem knapp bemessenen Zeitraum bis zu Abgabe des Manuskriptes zu lästig. Als ich das dem Verlag mitteilte, wurde mir gesagt: „Sie könnten das doch auch als Wahlflensburgerin machen. Wir haben mehrere Autoren in anderen Städten, die rein auf Interviewbasis Geschichten aus der vorgegebenen Zeit aufgeschrieben haben.“
Ich nahm die Herausforderung an. Über die Stadt, in der ich mich zur Ruhe setzen wollte, gab es für mich noch so viel zu erfahren. Zu meiner Freude und Erleichterung waren die inzwischen 70-80-jährigen Flensburger bei meinen Interviews sehr offen und stellten mir sogar Mengen alter Fotos zur Verfügung. Einen Teil der Geschichten, die mir damals erzählt wurden, passten nicht mehr in die nur 68 Seiten umfassenden Bücher. Ich habe sie u. a. als Vorlagen für meinen vor Kurzem erschienenen Roman „Meerraben“ verwendet.
Ein Jahr nach dem Buch über die 40er/50er Jahre schrieb ich über die 60er und 70er Jahre sowie 2013 den Text zum Bildband „Flensburg – gestern und heute“.

Was gefällt dir an Flensburg so gut?

Flensburg ist weltoffen, hat eine optisch wunderbare Lage, ist kulturell interessant, hat einen hohen Freizeitwert, eine ausgezeichnete medizinische Versorgung und ist darüber hinaus ein Einkaufseldorado. Es ist angenehm, in einer Stadt zu wohnen, wo andere gerne Urlaub machen.

Seit 2008 hast du acht Bücher veröffentlicht. Das ist eine ganze Menge. Wie viel Zeit nimmst du dir am Tag für das Schreiben?

Das ist unterschiedlich. Ich schreibe gerne, wenn in der Wohnung absolute Ruhe herrscht. Mein Mann ist Hobbykoch. Wenn er Einkäufe tätigt oder in der Küche werkelt, schließe ich die Tür zu unserem Gästezimmer, wo mein Laptop steht, den ich nur zu Schreibzwecken benutze. Das kann auch schon mal in der Nacht sein, wenn ich Wachphasen habe und spannende Einfälle sofort verarbeiten möchte. Über den Computer meines Mannes laufen alle möglichen anderen Alltagsdinge und mein Tablet benutze ich nur für Facebook- oder Twitterkontakte. Wenn mir da einer reinhackt, habe ich Pech gehabt, aber ansonsten ist dann nicht viel verloren.

Was liest du selber gerne?

Zur Entspannung vor dem Einschlafen (das ist für mich kein Widerspruch) gerne Thriller, aber nur die, die nicht als Flachpfeifen angelegt sind. Ich bin deshalb ein Fan von Barry Eisler.
Für Auszeiten besorge ich mir gerne Romane mit geschichtlichem Hintergrund oder spannende Reiseberichte. Zuletzt gelesen: Nino Haratischwilis georgischen Familienroman „Das achte Leben“, Martin Bühlers Trilogie „Schattenlicht“ und Wolf-Ullrich Cropps unglaublich spannend geschriebener Afrikabericht „Dschungelfieber und Wüstenkoller“.

Hast du in Bezug auf das Schreiben Vorbilder?

Bei meinen Versuchen, dem Kern guter Kurzgeschichten auf die Spur zu kommen, war für mich in erster Linie Hemingway ein Vorbild.
Bei meinen Lyrikausflügen Ingeborg Bachmann und Mascha Kaléko.
Was meinen ersten großen Roman angeht, habe ich m. E aus dem Bauch heraus geschrieben. Irgendwelche Kritiker werden mir schon Ähnlichkeiten andichten. Na denn.

Hast du noch andere Hobbys oder kommst du da nicht mehr dazu?

Ich habe seit meiner Jugendzeit gerne gemalt. In den letzten vier Jahren gab es Zeiten, in denen ich als Folge einer Chemotherapie Gedankenaussetzer hatte, aber immer noch gut mit Farben umgehen konnte. Meine Idee, ausgefallene Spiegelrahmen anzufertigen, kam gut an. Einige dieser Werke werden demnächst in der ab 1.11. in Bad Segeberg geöffneten „Buchhandlung Wortwerke“ zu sehen sein, die eine Idee der Autorin Bianca Bolduan ist.

Schreibst du schon an einem neuen Buch?

Bei der Arbeit an dem Manuskript „Meerraben“ hatte ich Kontakte mit Psychotherapeuten, die sich auf die Behandlung mit posttraumatischen Belastungsstörungen spezialisiert haben. Man muss dabei gar nicht mal den Fokus auf Bundeswehrsoldaten richten, die Schlimmes in Afghanistan erlebt haben oder auf die heute nach Deutschland kommenden Flüchtlinge aus aktuellen Kriegsgebieten. Als Auslöser für solche Schrecknisse kommen nicht selten Personen im engen Familienkreis infrage.
Als Nächstes würde ich gerne in einem neuen Roman über eine heute 35-Jährige schreiben, die genau das erlebt hat und nun versucht, sich von niemandem mehr die Fäden für ein normales, nicht mehr durch Albträume belastendes Leben aus der Hand nehmen zu lassen.

Möchtest du uns sonst noch etwas erzählen?

Meine erstes Buch veröffentlichte ich über BoD und war froh, dass es diese Möglichkeit überhaupt gab.
Die Arbeit mit dem Wartberg-Verlag brachte, insbesondere durch den Kontakt mit einer
gewitzten Lektorin, viel Spaß und mir in der Folge eine regionale Fangemeinde.
Zwei Bücher im Mohland-Verlag zu veröffentlichen, war eine ganz eigene Erfahrung. Kleine Verlage können es einfach nicht leisten, Autoren bekannt zu machen. Man muss schon ganz spezielle Fähigkeiten haben, sich selbst zu vermarkten oder man verharrt ewig in den Jagdgründen der Vergessenen.
Die Veröffentlichung meines Romans „Meerraben“ bezeichne ich als eine Art „Halfselfpublishing“. Ich machte mich für eine bestimmte Abnahme stark, bekam aber dafür eine professionelle und umfangreiche Begleitung des Projektes durch den Inhaber des ihleo Verlages Husum, Dr. Ihle.

Vielen Dank für das Interview, Brigitte Cleve. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Büchern.