Autoren-Interview mit Hildegard Grünthaler

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Mein heutiger Interview-Gast schreibt sowohl über ihre Reisen mit Wohnmobil und Hund als auch Geschichten für Kinder bzw. Lesespaß für die ganze Familie.

Guten Tag Hildegard Grünthaler.
Guten Tag Ann-Bettina.

Du hast ein Buch über deine dreijährige Reise durch Amerika, Australien und Neuseeland geschrieben. Wie kommt man auf die Idee, so eine Reise zu machen?

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Im Gegensatz zu mir hatte mein Mann schon immer Fernweh und träumte bereits als Jugendlicher von Amerika. Ich war recht zufrieden damit, im Urlaub mit dem Wohnwagen nach Holland oder Jugoslawien zu fahren. Außerdem hatten wir ja zwei schulpflichtige Söhne. Irgendwann sahen wir im Fernsehen einen Bericht über eine Familie, die mit ihren Kindern und einem Privatlehrer um die Welt segelte. Das war für meinen Mann die Initialzündung. Er wollte endlich etwas von der Welt sehen. Zuerst füllten die Bücher der Weltumsegler unseren Bücherschrank und dann lernten wir beide segeln und navigieren. Nachdem wir allerdings zweimal eine Jacht gechartert hatten, stand für mich fest: »Weltumsegeln? Nicht mit mir!«
Nach mehreren 4-5-wöchigen Urlaubsfernreisen kristallisierte sich dann die Idee heraus, ganz einfach ein Wohnmobil von Kontinent zu Kontinent zu verschiffen. Von der »Welt« sieht man ja so auch wesentlich mehr, als wenn man mit einer Jacht über die Meere und an den Küsten entlangsegelt. Sowie unser jüngster Sohn auf eigenen Füßen stand, vermieteten wir unser Haus und verkauften die Möbel. Das Wohnmobil erstanden wir buchstäblich auf den letzten Drücker. Wir verschifften es an die Ostküste der USA und flogen hinterher. Damit begann für uns eine ereignisreiche Zeit, von der wir heute noch zehren.

Für dein Buch hast du auch einen Verlag gefunden. Wie hast du das geschafft?

Während der dreijährigen Reise habe ich sehr ausführlich Tagebuch geschrieben. Die Idee, über unsere Erlebnisse ein Buch zu schreiben, kam erst nach unserer Rückkehr. Bis ich jedoch mit dem Ergebnis zufrieden war, landeten etliche Entwürfe im virtuellen Papierkorb.
Die Veröffentlichung des Manuskripts war nicht so einfach. Die Verlage wimmelten mich schon bei der telefonischen Kontaktaufnahme ab. «Kein Interesse!« »Wir haben so was schon mal verlegt, das lief nicht!« »Reiseberichte lassen sich nicht verkaufen!« »Heutzutage findet man alle Infos im Internet!« Das war recht frustrierend. Als ich schließlich bei Herrn Stein vom Conrad Stein Verlag anrief, wollte der zuerst auch nichts von dem Projekt wissen. »Ich werde mit Reiseberichten überschüttet! Die lesen sich samt und sonders wie mittelmäßige Schulaufsätze«, stöhnte er. Schließlich willigte er aber doch ein, dass ich ihm das Manuskript zu einer ersten Überprüfung zumailte. Bereits am nächsten Tag kam die Zusage. »Tausend Tage Wohnmobil – In drei Jahren durch Amerika, Australien und Neuseeland« war eben doch kein Schulaufsatz. Mittlerweile ist die dritte Auflage erschienen.

Außer Reisebüchern schreibst Du auch Kinderbücher bzw. Bücher für die ganze Familie. Ein Abenteuerroman heißt »Römer, Ritter, Fußballhelden«. Das passt auf Anhieb nicht zusammen. Um was geht es in diesem Buch?

Römer, Ritter, Fußballhelden

Das passt nur im ersten Moment nicht zusammen. Die Geschichte beginnt nämlich im Jahr 162, also zur Zeit des römischen Kaisers Markus Aurelius. Der Kaiser schickt den trägen Rufus, Sohn des ehrenwerten Senators Gajus Monetus, in geheimer Mission ins ferne Germanien. Begleitet wird das verwöhnte Muttersöhnchen von seinem Diener Festus. Im Gepäck haben sie unter anderem eine wertvolle Amphore, die mit köstlichem Wein gefüllt ist. Zur Verteidigung hat Rufus ein Schwert dabei, ein Erbstück, mit dem ein tapferer Vorfahr der Familie, ruhmreich gegen die Karthager gekämpft hat. Rufus verirrt sich auf seiner geheimen Mission hoffnungslos im dichten germanischen Wald und der Diener Festus setzt sich eines Abends versehentlich auf einen Gepäckballen mit der Amphore. Aus Angst vergräbt er die Scherben auf einer Lichtung im Wald.
Knapp 1000 Jahre später, auf einem Felsen ganz in der Nähe steht inzwischen eine Burg, findet Siegbert, der Sohn des Ritters Eberhard von Schroffenfels in einer Höhle das alte Römerschwert. Siegbert, zum Leidwesen des tapferen Ritters ein ausgemachter Hasenfuß, denkt sich zu diesem Schwert eine fantasievolle Geschichte aus. Das alte, schon reichlich verrostete Römerschwert landet daraufhin in der Waffenkammer der Burg. Von Burg Schroffenfels ist in der Gegenwart, in der der Hauptteil der Geschichte spielt, nur eine Ruine übrig geblieben. Dort jedoch wo der Diener Festus vor knapp 2000 Jahren die Scherben der Amphore vergrub, liegt nun der Fußballplatz der Gemeinde Schroffenfels. Als eines schönen Tages das morsche Fußballtor der Schroffenfelser zusammenkracht, beginnt eine turbulente Zeit. Studienrat Böckmann, von seinen Schülern »Ziegenböck« getauft, der in seiner Jugend von einer Karriere als Archäologe träumte, entdeckt die Scherben, sieht darin einen Wink des Schicksals und beginnt den Fußballplatz umzugraben. Dass sich die Fußballer das nicht gefallen lassen wollen, liegt auf der Hand. Natürlich mischen in dieser Geschichte neben den Fußballspielern drei pfiffige Jungen mit, eine große Schwester und deren Fußball spie-lender Freund. Dann taucht auch noch ein Fernsehsender nebst einer nach Sensationen heischenden Reporterin auf. Ich kann verraten, dass vor allem die Erwachsenen in diesem Buch kräftig durch den Kakao gezogen werden. Natürlich sind die Charaktere mitunter ein wenig überzeichnet, denn es sollte in erster Linie eine witzige und freche Geschichte zum Lachen sein.

Das zweite Buch ist ein Fantasy-Roman »Die Beschwörungsformel«. Erzähle uns doch ein bisschen darüber.

Beschwörungsformel

Auch »Die Beschwörungsformel« beginnt nicht in der Gegenwart, sondern vor ca. 3000 Jahren im alten Mesopotamien. Die Hauptfigur ist »Kalatur, der Geist des Rauches«. Er wurde in grauer Vorzeit von den Göttern Babylons geschaffen, damit er den Menschen beistehe und helfe. Um Missbrauch zu vermeiden, wurde diese Hilfe an eine Beschwörungsformel geknüpft. Nur würdige und weise Priester sollten in Besitz von Kalaturs Wohngefäß sein, und nur sie sollten die Formel kennen. Die Priester, die weder weise noch würdig waren, ließen sich belauschen und bestehlen. So wurde Kalatur durch eben diese Beschwörungsformel zum willenlosen Werkzeug gieriger und machthungriger Menschen – bis der Dschinn Kalatur schließlich in seiner Flasche eingesperrt und von einer Zauberin gebannt wurde.
3000 Jahre später gewinnt Marianne Weber, die Großmutter des 12-jährigen Philipp Baumann, in einem Preisausschreiben eine Busreise durch Marokko. Philipp begleitet seine Großmutter auf dieser Reise. Auf einem Markt in Marrakesch ersteht die Großmutter eine alte, blaue Flasche. Weil dieses Souvenir sich nicht öffnen lässt, schenkt sie die Flasche Philipp.
Die Geschichte wäre keine Dschinngeschichte, wenn Kalatur nicht von Philipp befreit würde. Dann allerdings entwickelt sie sich völlig anders, als man gemeinhin von einer Story über Flaschengeister erwartet. Kalatur sieht sich vom Zwang der Beschwörungsformel erlöst, will sich zukünftig von den Menschen fernhalten und nur noch das tun, was er selbst für richtig hält. Weil aber Kalatur neugierig ist auf die Menschen und die Technik der heutigen Zeit, gelingt ihm das nicht so recht. Trotz Philipps Hilfe entstehen in dieser für ihn so verwirrend fremden Welt immer wieder gefährliche und auch kuriose Situationen.
Zu allem Überfluss entdeckt Kalatur, dass ihm bereits Dschinnjäger auf den Fersen sind. Es existiert nämlich noch eine zerbrochene Keilschrifttafel mit einem Fragment der Beschwörungsformel. Nun ist nicht nur der Geist des Rauches, sondern auch Philipp in höchster Gefahr, denn die Dschinnjäger glauben, dass Philipp die Beschwörungsformel kennt …
Der Schluss dieses Buches ist relativ offen. Es kann also durchaus sein, dass Philipp und Kalatur noch weitere Abenteuer erleben.

Diese beiden Bücher hast du aber als Self-Publisher herausgegeben. Eine bewusste Entscheidung oder wollte der Verlag nicht?

Ich habe die Kinderbücher dem Conrad Stein Verlag gar nicht angeboten. Das ist ein reiner Outdoor-Verlag, der sich auf Wander- und Reiseführer und auf Ratgeber fürs Campen und Reisen spezialisiert hat.
Ich bin ja, was neue Techniken, neue Medien usw. anbelangt, immer ein wenig hintennach und nie so ganz auf der Höhe der Zeit. Aber als mir mein Sohn zum Geburtstag einen E-Reader schenkte, brachte mich das auf die Idee, die Veröffentlichung auf eigene Faust zu versuchen.

Von Reisebüchern zu Kinderbüchern ist doch ein recht großer Sprung. Warum ausgerechnet Kinderbücher?

Meine Söhne waren während ihrer Schulzeit zu meinem Leidwesen nie große Leser. Bevor sie selbst lesen konnten, habe ich ihnen viel vorgelesen. Das haben beide sehr genossen. Auch während der ersten beiden Schuljahre habe ich noch vorgelesen, habe dann an den spannendsten Stellen aufgehört, in der Hoffnung, dass sie daraufhin selbst weiterlesen, aber meist hat das nicht geklappt.
Das war wohl der Grund, dass ich vor allem etwas schreiben wollte, das Spaß macht. Und ich muss sagen, mir hat das selbst auch großes Vergnügen bereitet.
Ich hatte während des Schreibens eigentlich immer Kinder bzw. Jugendliche ab ca. 10 Jahren im Fokus. Nachdem ich mit der Beschwörungsformel fertig war, war der allgemeine Tenor, dass die Alterseinstufung durchaus passt, aber trotzdem zu eng gefasst wäre, weil das Buch auch Erwachsenen gefällt. Deshalb heißt der Untertitel nun: »Für junge Leser von 9 -99«. Alle Rezensenten fanden das bisher sehr treffend.

Wie steht deine Familie zu deiner Autorentätigkeit? Unterstützen sie dich?

Ja. Als »Tausend Tage Wohnmobil« herauskam, hat mein Mann aktiv die Werbetrommel gerührt, ist zu den Buchhandlungen in der näheren Umgebung gegangen und hat die großen Wohnmobilzeitschriften kontaktiert.
Außerdem ist mein Mann der schärfste Kritiker. Als ich die Beschwörungsformel schrieb, geriet eine Szene, als der Rauchgeist Kalatur den Oberbösewicht zu fassen bekam, etwas zu heftig. Mein Mann meinte: »Das kannst du so nicht schreiben! Dein Kalatur ist doch ein Menschenfreund!« Ich habe den Hergang daraufhin etwas abgemildert.

Was liest du selber gerne?

Das ist ganz unterschiedlich. Durch das Büchertauschen auf den langen Reisen bin ich zum Krimilesen gekommen. Da kommt es dann schon vor, dass ich darüber vergesse, ins Bett zu gehen. Von Sohn und Schwiegertochter bekamen wir unter anderem die Bücher von Grisham und Ken Follett geschenkt oder die Millenniums Trilogie von Stieg Larsson. Die machten dann stets die Runde durch die ganze Familie.
Durch das Reisen bin ich natürlich sehr an der Geschichte der bereisten Länder und deren Ureinwohner interessiert. Ich fand auch die dicken Wälzer des inzwischen verstorbenen James A. Michener ungeheuer lehrreich. Egal ob »Alaska«, »Texas« oder »Verheißene Erde«, Michener verstand es wie kein Zweiter, die geologischen und geschichtlichen Ereignisse mit Familiensagas zu verknüpfen, die sich oft über viele Jahrhunderte erstreckten.
Als Australienreisende gefielen mir auch die Bücher von Patricia Shaw, die ja meist eine Einwandererstory mit einer Liebesgeschichte verknüpft.
Wenn ich mir selbst Bücher kaufe, dann sind das zumeist Sachbücher. Meine Interessen sind da ziemlich vielschichtig. Aktuell habe ich »Jenseits von Gut und Böse« von Michael Schmidt-Salomon gelesen und als Kontrastprogramm ziehe ich mir nun den Psychothriller »Der Killer in mir« von Boris Maggioni rein.

Was war als Kind dein Lieblingsbuch? Oder erinnerst du dich da gar nicht mehr dran?

An ein spezielles Lieblingsbuch kann ich mich nicht erinnern. Natürlich habe ich schon als Kind sehr viel gelesen. Es gab damals allerdings noch nicht diese Fülle an Titeln wie heute. Ich weiß nur noch, dass mir Pipi Langstrumpf zu albern war, die Bücher von Enid Blyton fand ich blöd, und Mädchenbücher mochte ich schon gar nicht. Meine Mutter legte Wert auf pädagogisch wertvolle Lektüre und schenkte mir meist Bücher von Johanna Spyri. Außer Heidi ist mir davon jedoch nichts in Erinnerung geblieben. Zur nicht mehr zu bremsenden Leseratte wurde ich, als ich mit ca. 11 Jahren die Bücher von Karl May entdeckte. Die habe ich regelrecht verschlungen. Das war noch vor den Filmen. Mein Winnetou sah deshalb nicht aus wie Pierre Brice. Dann gab es in der Leihbücherei die Jugendbücher des Historikers E.J. Görlich. Der schrieb Titel wie: »Anni und der Prinz Eugen« oder »Die Flotte der Verratenen«. Das war ein Jugendroman über die Kinderkreuzzüge. Er behandelte auch Themen wie die Sklaverei usw. Diese Bücher fand ich ungeheuer interessant. Von meiner Großmutter hatte ich mir zu Weihnachten »Vom Winde verweht« gewünscht. Das ist eines der Bücher, die ich nicht aussortiert und später noch einmal gelesen habe. Überhaupt begann ich mit 13 oder 14 Jahren damit, querbeet alles zu lesen, was ich in die Finger bekam oder im Bücherschrank meiner Eltern fand – egal ob Pearl.S. Buck, Puschkin oder Guy de Maupassant. Eine besondere Vorliebe entwickelte ich jedoch für Bücher, von denen es hieß: »Das ist nichts für dich!«

Schreibst du schon an einem neuen Buch?

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Ja. Das große Fernweh war nach der dreijährigen Reise zwar gestillt, aber die Sehnsucht nach den wilden Landschaften, der beeindruckenden Weite und den einsamen Highways Nordamerikas meldete sich bald zurück. Es blieb daher nicht aus, dass wir wieder ein Wohnmobil über den Großen Teich schickten, um für ein weiteres Jahr Kanada und die USA zu bereisen. Den Winter verbrachten wir in der mexikanischen Baja California. Allerdings hatten wir in der Zwischenzeit ein vierbeiniges Familienmitglied. Die Groenendael-Hündin Eyleen (die Groenendaels sind die schwarze Varietät der Belgischen Schäferhunde) begleitete uns auf dieser Reise, die größtenteils abseits der ausgetretenen Pfade verlief. Die Informationen, die für eine Nordamerikareise mit Hund wichtig sind, habe ich bereits in einem gesonderten Kapitel der dritten Auflage von »Tausend Tage Wohnmobil« angefügt. Darüber hinaus kam von meinem Mann der Anstoß, auch über die Erlebnisse dieser Reise zu schreiben. Da bin ich nun gerade mittendrin. Ich habe über dieses Projekt noch nicht mit dem Conrad Stein Verlag gesprochen, denn eigentlich dachte ich daran, das Buch als preiswertes E-Book herauszubringen. Bis es soweit ist, wird jedoch noch eine Weile dauern. Ich bin beim Schreiben nicht besonders schnell, und es gibt ja doch immer tausend andere Dinge zu tun. Außerdem bin ich mittlerweile Großmutter von zwei Enkelkindern (2 ½ und 6 Jahre) und als geduldige Vorleserin gefragt.

Was möchtest du uns sonst noch erzählen?

Wir werden öfter mal gefragt, ob wir denn nicht lieber woanders leben möchten, im schönen Neuseeland z. B. oder in Nordamerika, das wir ja so gerne bereisen. Dazu muss ich sagen, dass wir natürlich nicht nur die Schokoladenseite der bereisten Länder gesehen haben. Deutschland ist ein schönes Land mit sehr vielen Vorzügen – so gerne wir, wo auch immer »on the road« sind – leben möchten wir nur hier!
Ganz generell bekommt man durch das intensive Reisen einen anderen Blickwinkel, sieht manches kritischer oder auch gelassener und man nimmt vieles nicht mehr so selbstverständlich.

Vielen Dank für das Interview, Hildegard Grünthaler. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.

Ann-Bettina, ich danke dir für die Möglichkeit, ein wenig mehr zu mir und meinen Büchern zu sagen.