Interview mit der Autorin Eva-Maria Farohi

eva-maria-farohi

Heute kann ich mit Eva-Maria Farohi wieder einmal eine österreichische Autorin zum Interview begrüßen.

Guten Tag Eva-Maria Farohi.

Deine erste Buchveröffentlichung ist noch gar nicht so lange her. Im August 2015 hast du »Septembersonne« herausgebracht. Das ist ein Kindle Single (früher hätte man das wahrscheinlich eine Novelle genannt). Wolltest du damit den Lesern die mallorquinische Lebensweise nahe bringen? Du hast ja selber mehrere Jahre auf Mallorca gelebt.

Septembersonne

Der Aufenthalt in Mallorca hat mich sehr verändert.
Es ist schon ein großer Unterschied zwischen den Lebenseinstellungen auf der Insel und hier bei uns in Mitteleuropa. Die Dinge haben einen anderen Stellenwert. Natürlich arbeiten die Menschen auch auf Mallorca, aber sie arbeiten, um zu leben, sie leben nicht, um zu arbeiten …
Der Prestigewert des Berufes ist dabei nicht ausschlaggebend. Ich kenne Ehefrauen von ziemlich wohlhabenden Mallorquinern, die arbeiten während der Saison als Zimmermädchen im Hotel, frei nach dem Motto: Arbeit ist Arbeit, sie wird bezahlt, das Betriebsklima passt, folglich ist es okay.
Außerdem erfolgt die Beurteilung der Menschen nicht so stark nach Äußerlichkeiten, wie hier bei uns, also nach dem Auto oder der Kleidung, dem Beruf.
Das alles findet natürlich seine Entsprechung in meinen Geschichten. Denn ich glaube, dass uns hier in Österreich, genauso wie in Deutschland, ein wenig von dieser Einstellung ganz gut tun würde. Ein wenig mehr Gelassenheit, ein bisschen mehr Freude am Leben.
Natürlich ist der Alltag manchmal mühsam und nicht jeder Tag ist ein Feiertag. Auch sind Fleiß und Ehrgeiz grundsätzlich etwas Positives. Aber man sollte nichts im Leben übertreiben. Das Leben ist kurz und jeder Tag, den wir ohne ein Lächeln verbringen, ist ein verlorener.

Schon im November 15 hast du dann gleich zwei Bücher veröffentlicht. Einen weiteren Kindle Single »Tödliche Meeresnacht«. Das ist ein Krimi und fällt damit aus dem Rahmen deiner anderen Veröffentlichungen. Warum plötzlich ein Krimi?

Toedliche-Meeresnacht

Für mich war der Genrewechsel gar nicht so stark fühlbar, wie man vielleicht denkt.
Ich hatte bei „Septembersonne“ das enorme Glück einen wunderbaren Lektor kennenzulernen, dem ich sehr viel verdanke. Mit seiner Rückendeckung konnte ich den Versuch wagen …
Auch in „Tödliche Meeresnacht“ dreht sich alles um Gefühle, um den Umgang der Menschen zu- und untereinander. Es ist kein blutiger Krimi, eher eine Kriminalgeschichte, in deren Mittelpunkt die Figur des Kommissars Vicent Rius steht.
Es geht darin um Eitelkeiten, Ehrgeiz, Karriere – aber auch um Vertrauen und Loyalität. Und um Männer, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Tätigkeit vereinsamt sind.
Natürlich spielt auch diese Geschichte wieder auf Mallorca.
Nicht, weil die Story nicht genauso gut in Österreich spielen könnte, sondern weil Mallorca so etwas wie ein roter Faden ist, der sich durch alle meine bisherigen Erzählungen zieht.
Denn in meinen Geschichten geht es um (zwischen) menschliche Beziehungen aber auch um die Frage, wie unterschiedliche Menschen in verschiedenen Lebenssituationen reagieren. Wie stark werden sie von ihrer Vergangenheit geprägt, wie gehen sie damit um und wie verändern sie sich durch das, was sie erleben.
Mallorca bietet die Bühne, den Schauplatz, an dem – zumindest ein Großteil – der Geschichte spielt.

Die zweite Veröffentlichung im November 15 war ein Roman »Fincamond«. Er ist der erste Band einer Mallorca-Trilogie. Der zweite Band »Fincaträume« wird im Mai ´16 erscheinen. Um was geht es in der Trilogie?

Fincamond

In „Fincamond“ kommt die junge Rechtsanwältin Lisa nach Mallorca. Sie hat ihr Leben lang danach gestrebt, die Anerkennung und Liebe ihrer Eltern zu erlangen, war ehrgeizig, leistungsorientiert und hat versucht, damit zu punkten. Dann platzt ihre Verlobung mit dem ebenso karrierefixierten wie rücksichtslosen Anwalt Lutz van Ast.
Frustriert und verletzt nimmt sie die Erbschaft ihres Onkels an, der ihr seine Finca mit der Auflage vererbt hat, dass sie ein volles Jahr dort wohnen und auf seine Hündin aufpassen muss.
Lisa trifft auf gänzlich andere Lebensumstände. Anfangs noch zurückhaltend, beinahe arrogant, lernt sie sehr schnell die Schönheit der Insel und die herzliche Aufnahme durch die Bewohner schätzen. Sie schließt neue Freundschaften und beginnt sich dadurch zu verändern. Und da „Fincamond“ ein Liebesroman ist, spielt natürlich auch ein Mann eine Rolle …

Der zweite Teil, „Fincaträume“, der am 31. Mai erscheint, erzählt die Geschichte von Marika, die Lisas Nachbarin ist, und zu ihrer beste Freundin wird.
Marika hat eine schwere Kindheit hinter sich und glaubt daher nicht mehr an die Beständigkeit von Gefühlen. Dementsprechend geht sie mit Männern bewusst nur oberflächliche Beziehungen ein. Lediglich ihren Tieren, von denen sie eine ganze Menge bei sich aufgenommen hat – die meisten davon ebenfalls mit einer belasteten Vergangenheit – gibt sie alle Wärme und Liebe, nach der sie sich selbst tief im Inneren sehnt. Bis sie Dean kennenlernt …

Diesen Monat hast du auch schon wieder etwas herausgebracht – »Der blaue, wolkenlose Himmel«. Das ist wieder ein Kindle Single. Erzähl uns doch etwas darüber.

wolkenlose Himmel

Einmal mehr geht es um große Gefühle: Liebe, Schmerz, Verlust, Schuld.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen zwei Menschen, die einander einst über alles geliebt haben. Sie heiraten und bekommen eine Tochter. Doch dann passiert das Unfassbare. Die kleine Julia stirbt. Dieser Belastung ist die Ehe nicht gewachsen. Helen und Alexander trennen sich.
Fünf Jahre vergehen, in denen sie einander nicht mehr sehen.
Doch dann treffen sie sich zufällig wieder, in demselben Hotel auf Mallorca, in dem sie schon einmal miteinander waren – in jener längst vergangenen Zeit des Glücks.
Beide merken, dass unter der Asche noch Glut ist und ihre Gefühle flammen sofort wieder auf. Doch da ist die Vergangenheit, die Schuldzuweisungen, die Verzweiflung … Dennoch können sie vor ihren Empfindungen nicht davonlaufen, müssen sich damit auseinandersetzten.
Auch hier spielt Mallorca wieder eine zentrale Rolle: Auf den Spuren ihrer Erinnerungen beginnen Alexander und Helen miteinander zu reden …

Deine bisherigen Veröffentlichungen spielen alle auf Mallorca. Ist Österreich zu uninteressant?

Aber keineswegs. Überall, wo Menschen leben, gibt es Gefühle, von denen es lohnt zu schreiben. Und auch der Hintergrund, den ich gerne als Bühne bezeichne, ist in Österreich nicht nur interessant, sondern bietet unheimlich viele Orte, über die man erzählen könnte.
Aber Bühne und Bühnendekoration geben einem Stück die Stimmung. Sie führen den Zuschauer in die Handlung ein.
Ein Großteil meiner Leser wird wohl in Österreich und in Deutschland leben. Viele davon kennen Mallorca, manche lieben es. Auch die Protagonisten meiner Geschichten stammen zum Teil aus Deutschland und Österreich.
Zusammen mit meinen Protagonisten kann ich sozusagen den Leser auf diese Reise nach Mallorca mitnehmen, und nicht nur den Leser: vielleicht mehr noch mich selbst. Denn während ich die Geschichten schreibe, kehre ich nach Mallorca zurück, verbringe die Zeit wieder auf der Insel, der zugegebenermaßen ein Stück meines Herzens gehört.

Du bist auch Malerin. Gestaltest du deine Buchcover selber?

Nein. Anfangs habe ich daran gedacht, das eine oder andere Landschafts–Aquarell aus Mallorca als Cover zu verwenden, bin dann aber davon abgekommen und froh über diese Entscheidung.
Grafiker ist ein Beruf und Coverdesigner ebenso, das muss man lernen. Da gibt es eine ganze Menge zu beachten. Natürlich bringe ich meine Vorstellungen mit ein, ganz besonders, was die Motive und die Wahl der Farben betrifft.
Aber trotzdem vertraue ich in der Umsetzung dann lieber den Profis …

Nun hat man einen Single schneller geschrieben als einen Roman. Aber trotzdem legst du mit deinen Veröffentlichungen ein beachtliches Tempo vor. Dabei bist du auch noch Schauspielerin und Malerin. Wie bringst du das alles unter einen Hut?

Also Schauspielerin, das war ich einmal. Natürlich verlernt man nie, was man einmal gelernt und auch ausgeübt hat. Ich glaube sogar, dass die Art, wie ich beim Schreiben meine Charaktere entwickle, ganz stark von meiner Tätigkeit als Schauspielerin geprägt ist. Auch der Schauspieler erfasst als Erstes den Charakter einer Figur, schlüpft dann erst in ihn hinein und begleitet ihn durch verschiedene Lebenssituationen.
Die Malerei hingegen war immer schon Teil meines Lebens. Sie ist – genauso wie das Schreiben – eine einsame Beschäftigung, die ganz aus der inneren Konzentration heraus entsteht. Bei mir ergänzen sich diese beiden Tätigkeiten: Die eine malt mit Worten, die andere mit Farben …

Was hältst du von Lese-Flatrates wie Kindle Unlimited?

Ich finde das grundsätzlich nicht schlecht. Es rechnet sich ohnehin nur für Leser, die regelmäßig und viel lesen. Andererseits bin ich selbst eher der Typ, der Bücher ganz spontan aussucht: Da kann es durchaus sein, dass das erwählte Buch bei Kindle Unlimited nicht verfügbar ist, wobei ich es dann selbstverständlich trotzdem kaufen würde … Oder aber mich interessiert ein Titel, der vergriffen ist, und nur Second Hand zu erhalten ist.

Beeinflussen sich deine künstlerischen Tätigkeiten gegenseitig oder hältst du das streng getrennt?

Oh, die beeinflussen sich sogar sehr. Wie schon gesagt, gehe ich an einen neuen Roman so heran, als würde ich mehrere Rollen entwickeln. Schlüpfe in die Haut der handelnden Personen, genauso, wie es der Schauspieler auch tut – und zwar unabhängig davon, ob es ein Mann oder eine Frau ist, ob die Rolle groß oder klein ist. Es geht dabei vor allem um die verschiedene Denkweise, die unterschiedlichen Charaktere und deren Gefühle.
Malerei hat ebenfalls etwas mit Beobachtung zu tun, mit dem Sehen. Auch der Schauspieler beobachtet unentwegt: Menschen in ganz alltäglichen Situationen ebenso, wie in Ausnahmesituationen – Komisches genauso wie Tragisches … Und als Autorin suche ich dann in meiner Erinnerung nach diesen Situationen und fasse sie in Worte.

Als Schauspielerin müssten Lesungen für dich ja ein Heimspiel sein. Oder ist es etwas anderes, wenn du statt einem fremden deinen eigenen Text vortragen sollst?

Tatsächlich mache ich unheimlich gern Lesungen. Zu spüren, wie das Publikum mitgeht, wenn es gefesselt ist vom Text, reagiert, – das ist unglaublich schön.
Wenn man mich jetzt fragt, ob mir daran mehr gefällt, wieder als Schauspielerin vor Publikum zu stehen, oder ob es die Freude über das Lesen eigener Texte ist – ich wüsste darauf keine Antwort. Vermutlich ist es beides.
Ich bereite mich auf meine eigene Lesung aber genauso konzentriert vor, wie bei einem fremden Text, da ist kein Unterschied. Es ist also eher das Zusammentreffen von zwei sehr gerne ausgeübten Tätigkeiten, was mir daran so gut gefällt. Aber das Faszinierendste an der Sache ist natürlich das Publikum. Und dass alle diese Menschen kommen, um MEINE Texte zu hören: Das ist das Allerschönste.

Möchtest du uns sonst noch etwas erzählen?

Also vor allem möchte ich mich für diese wirklich tollen Fragen bedanken.
Vielleicht darf ich zum Abschluss noch etwas über den Roman erzählen, mit dem ich mich gerade beschäftige: Wieder geht es um Gefühle.
Doch diesmal spielt die Vergangenheit eine große Rolle, auch die Vergangenheit der Insel Mallorca. Es geht um die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges. Von Kampfhandlungen ist die Insel zwar bis auf die wenigen Wochen, da auch sie Kriegsschauplatz war, weitestgehend verschont geblieben – nicht verschont wurde Mallorca aber von dessen Auswirkungen, den tiefen Gräben, die quer durch die Dörfer gezogen wurden, dem Hass, der plötzlich einen Wirkungskreis erhielt. Und dem Unrecht, mit dem offene Rechnungen aus der Vergangenheit eingefordert wurden.
Bis heute ist diese dunkle Zeit, in der aus Nachbarn Feinde und aus Freunden Gegner wurden, kein besonders beliebtes Thema auf Mallorca. Nur langsam setzt die Auseinandersetzung mit diesem Kapitel der Geschichte ein, in dem die Insel ihre Unschuld verloren hat.
Der Roman erzählt die Geschichte von Miguel Ferrer, der als junger Mann in den Wirren der Kriegszeit seine große Liebe findet, deren tragisches Ende sich im Leben seines Großneffen Nicolau zu wiederholen scheint.

Vielen Dank für das Interview, Eva-Maria Farohi. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen verschiedenen künstlerischen Tätigkeiten.

Dankeschön.