Interview mit den Autoren Kerstin und Markus Schaefer

Kerstin und Markus Schaefer

Heute gibt es wieder eine Premiere in der ABS-Lese-Ecke. Ich habe ein Autorenpaar zum Interview zu Gast, die zusammen Bücher schreiben.

Guten Tag Kerstin und Markus Schäfer.

Hallo liebe Ann-Bettina-Schmitz.

Ihr seid ein Ehepaar, das gemeinsam Sachbücher schreibt. Eure Bücher drehen sich um Krankheiten und das Gesundheitssystem. Was ist eure Motivation? Welche Kompetenzen habt ihr auf diesem Gebiet?

Wir müssen direkt dazu sagen, dass wir eher die „Biografischen Autoren“ sind und uns auch in diese Richtung weiter entwickeln werden. Wir schreiben lieber „frei Schnauze“, mit unserem teils sarkastischen, teils sehr authentischen Charakteren, als dass wir uns mit staubtrockenen Thematiken auseinandersetzen müssen. (Auch wenn wir dies gelegentlich tun)
Unser Streben ist es ganz einfach aufzuklären.
Aufklärung sowohl im Bezug auf das Leben, trotz schwerer oder chronischer Erkrankungen, als auch zu motivieren, sich immer wieder neue Wege zu suchen.
Wir und auch die Tochter sind nicht nur an einem Schnupfen erkrankt, sondern eben nun mal wirklich an schweren Erkrankungen, mit denen wir die Umwelt und den Alltag auch ganz anders erleben.
Positiv, als auch negativ und haben dabei unsere eigenen Wege gefunden. Diese Erfahrungen geben wir weiter um es Anderen leichter zu machen und durften für viele schon ein wertvoller Wegbegleiter sein.

Unser erstes Buch: „Schatz, stell dir mal vor, wir stehen morgen auf und sind plötzlich gesund?!, ist in dem Sinne eine Autobiografie über uns und unseren Alltag mit der MS, die eigentlich auch nur dadurch entstand, dass wir seit 2014 in den Medien recht häufig unterwegs waren, aufgrund unserer sehr positiven Lebenseinstellung trotz dieser Erkrankung. Nachdem wir dann 2015 einen Auftritt im MDR hatten und wir immer wieder mit der Frage konfrontiert wurden, wie wir das denn alles so schaffen können, lagen wir eines Abends im Bett und sinnierten über all diese Fragen.
Wir sind beide ziemliche Denkertypen und kommen bei den Gedanken auf „Hinz und Kunz“. So gelangten wir während des Sinnierens über uns und unseren Alltag sowie über das bisher Erlebten zu der Frage, „Schatz, stell dir mal vor, wir stehen morgen auf und sind plötzlich gesund?! Dies wurde dann der Vorreiter zum Buch. Diesem folgte ein Ratgeber und im Anschluss daran (neben der Ebook Reihe) sogleich „Mama, ich höre Stimmen“.

Das neueste Buch »Mama ich höre Stimmen« ist vor ein paar Tagen auf den Markt gekommen. Um was geht es darin?

Mama-ich-hoere-Stimmen

Dieses Buch ist ein ganz besonderes Herzensprojekt und wurde gemeinsam mit der Tochter Eileen geschrieben, die aufgrund einer zweijährigen Mobbingtortour sehr schwer psychisch erkrankte. Es ist aus der Sicht von zwei Personen geschrieben.
Zum einen aus der Sichtweise der Tochter (Betroffene) und zum anderen aus der Sichtweise der Mutter (Angehörige). Hier geht es um den Alltag und das Leben mit Schizophrenie, Borderlinestörung, Psychose, Depressionen und Persönlichkeitsstörung. Es erzählt sowohl über die Blackouts, die mit Verletzungen, blutverschmierten Wänden usw. einhergingen als auch über die verschiedenen Stimmen, die sich immer mehr in dem Kopf der Tochter manifestierten. Bis hin zu dem Zeitpunkt, wo sie sich selber nicht mehr erkannte. Die vielen Aufs und Abs, die Ängste, Sorgen und die Hilflosigkeit, der man ausgesetzt ist, ist ein weiteres Thema darin.
Nicht nur für den Betroffenen ein harter Weg, sondern auch für die Angehörigen.
Die Gesellschaft ist bei diesem Thema leider noch sehr jungfräulich, bis hin zu ablehnend, was es für einen Betroffenen noch eine Spur schwieriger macht.
Der Betroffene ist an sich schon ein Opfer seiner selbst und wird häufig durch das Umfeld immer weiter in diese Rolle hinuntergedrückt. Dies war der Anstoß, mit unserer Geschichte die Menschen da draußen im Bezug auf psychische Erkrankungen, ein wenig zu sensibilisieren. Es ist zudem sehr emotional verfasst.

Dieses Buch hat Kerstin mit einer zusammen anderen Autorin geschrieben. Warum dieser Wechsel der Zusammenarbeit?

Die andere Autorin ist die eigene Tochter. Es gibt wahrscheinlich keine größere Bindung, als die zwischen einer Mutter und ihrem Kind. Dementsprechend war der Kampf als Mutter und Tochter zwar ein gemeinsamer, aber jeder aus einer anderen Sichtweise. Und genau das hätte ein Einzelner von uns niemals in einem Buch alleine wiedergeben können. Es erschien uns wichtig, beide Seiten aufzuzeigen, um ein noch besseres Bild der Erkrankung darzustellen. Ansonsten würde einer nur aus seiner eigenen persönlichen Sichtweise schreiben und das wäre in diesem Fall falsch gewesen.

Euer erstes Buch war »Schatz, stell dir mal vor, wir stehen morgen auf und sind plötzlich gesund?!« Das klingt ein bisschen so wie die Ratgeber zu »Wunderheilmitteln«. Darum geht es aber in eurem Buch sicher nicht, oder?

Schatz, stell dir mal vor...

Nein, es geht hier um das Motivieren und die Lebensfreude, die ein Mensch trotz einer chronischen Erkrankung noch haben kann und sollte. Die Erkrankung allein sollte nicht den Alltag dominieren, sondern neue Wege gegangen werden. Es ist so vieles noch möglich, selbst mit Handicaps. Wir sitzen beide im Rollstuhl und trotzdem reisen wir, leben selbstbestimmt und ausgeglichen. Das, was wir an Zielen besitzen, das verwirklichen wir und bisher gelang es uns auch ganz gut. Durch unsere Geschichte, mitsamt unserem Alltagsleben, möchten wir motivieren und den Menschen helfen, sich das Recht auf Lebensfreude einzufordern. Manchmal sind es nur kleine Umstrukturierungen, die dann Großes bewirken können. Aufgeben gibt es für uns nicht und unser Motto bleibt weiterhin LEBEN. Zeitgleich ist das Buch aber nicht nur an Betroffene gerichtet, sondern auch an gesunde Menschen, denn nur wovon man weiß, daran kann man auch etwas ändern. Wir haben immer wieder Feedback von gesunden Menschen erhalten, die sehr dankbar waren, das alles einmal aus dieser Sichtweise zu lesen. Vieles war ihnen nicht bewusst und vieles ist auch sicher keine Absicht, dennoch bewirkte das Buch, das sie nun anders durch das Leben gehen und anders auf Erkrankte zugehen.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn ihr zusammen ein Buch schreibt? Verfasst dann jeder ein Kapitel oder wie habt ihr das organisiert?

Als Ehepaar schreiben wir gemeinsam. Sitzen zusammen am Tisch, schreiben die nötigsten Stichwörter auf, erstellen die gemeinsamen Kapitel und dann geht es ans Schreiben. Der eine schreibt und liest es dem Anderen zwischendurch immer wieder vor. Bei dem Buch mit der Tochter wurde es absichtlich getrennt verfasst. Die jeweiligen Kapitel waren beiden bekannt und so schrieb jeder seinen eigenen Teil.
Erst am Ende wurde alles passgenau zusammengefügt.

Ein weiteres Buch von euch heißt »MS = Multiples System – In Konfrontation mit dem Gesundheitssystem«. Das deutsche Gesundheitssystem gilt doch eigentlich als sehr gut, wenn auch extrem teuer. Habt ihr da andere Erfahrungen gemacht?

Die Erfahrung, die wir machten und auch bei vielen anderen Menschen noch immer regelmäßig erleben, ist die Tatsache, das es zwar in unserem Gesundheitssystem viele tolle Regelungen und Gesetze gibt, die einem kranken oder schwerbehinderten Menschen sowie seinen Angehörigen das Leben etwas erleichtern können, ABER die Informationen dazu gar nicht oder nicht ausreichend genug bekannt sind. Was nutzt das persönliche Budget, wenn ein Mensch darüber kaum Informationen erhält? Warum werden Pflegebedürftige zwar über die Pflegestufe aufgeklärt, aber den pflegenden Angehörigen beispielsweise häufig nicht gesagt, dass sie einen Anspruch auf Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege haben? Menschen mit einer Pflegestufe wird bei Klinikaufenthalten, die noch unter 21 Tagen liegen, oftmals das Pflegegeld nur zur Hälfte ausgezahlt, obwohl dies erst ab einem Aufenthalt von 21 Tagen der Fall ist – laut Gesetz.
Genau das sind Dinge, mit denen sich das Multiple System befasst. Das Recht durchzusetzen, wovon viele einfach nichts wissen. Ebenfalls über Dinge aufzuklären, die in diesem System einfach verkehrt laufen. Geld und Profit spielen da eine ganz große Rolle und der Patient an sich wird nicht immer als Mensch angesehen.
Und dies betrifft ja nicht nur die Kranken- oder Pflegekassen. Das Multiple System besteht in dem Sinne aus Krankenkasse, Pharmaindustrie, Ärzten und Kliniken. Würden diese besser miteinander kooperieren, hätten es Erkrankte und Angehörige oftmals wesentlich leichter.

Das erste Buch habt ihr im Telecope Verlag herausgebracht, das Zweite als Selfpublisher. Warum?

Das hat verschiedene Gründe. Das erste Buch wurde zwar über einen Verlag herausgebracht, doch um Werbung&Co mussten wir uns selber kümmern. Gerade als Neuautoren war dies für uns eine ganz neue Materie, doch glücklicherweise reichte unsere Kreativität aus, das selber in die Hand nehmen zu können. Man lernt mit der Zeit immer mehr dazu, knüpft neue Kontakte, bei denen der ein oder andere bereits ein Selfpublisher war und uns dieses näher brachte. Die Lektorin des ersten Buches behielten wir erst einmal weiterhin und lasen/lernten uns durch die Welt des Selfpublishings. Das bedeutet nun nicht, dass wir nie wieder auf einen Verlag zurückgreifen würden, sofern dann die Konditionen und die Unterstützung stimmen.

Im März habt ihr den ersten Band einer eBook-Reihe »Worüber wir sprechen sollten« mit dem Titel » Dysphagie« veröffentlicht. Ist das ein Ratgeber zur Krankheit?

Die Dysphagie (neurologisch bedingte Schluckstörung) ist ein Symptom der MS, kann aber auch bei anderen neurologischen Erkrankungen, wie z.B. nach einem Schlaganfall auftreten. Auch wenn wir beide selber von der MS betroffen sind, so ist es unser Streben, diverse Themen aufzugreifen, die eher eine größere Masse betreffen, als nur MS Erkrankte. Über MS gibt es schon so unendlich viele Bücher, das wir da nur noch mit einem eher geringen Teil zu beitragen möchten. Für uns stellt es einen größeren Anreiz dar, sich mit Themen zu befassen, die entweder in der Gesellschaft tabuisiert werden oder unausgesprochen bleiben, aufgrund von Scham oder auch Vorurteilen. Dinge, über die man eher weniger spricht, aber dennoch vorhanden sind oder passieren. Die Themen müssen und werden daher nicht immer mit Krankheiten einhergehen oder deren Beschwerden.

Entwerft ihr die Cover für eure Bücher selber?

Ja, das haben wir bei allen Büchern bisher so gehandhabt. Das Coverbild von dem ersten Buch ist von meiner Tochter entworfen, so wie auch das Cover von dem gemeinsamen Buch „Mama, ich höre Stimmen“.

Schreibt ihr schon an einem neuen Buch?

Therapien bei MS

Aktuell haben wir noch einen kleinen Ratgeber herausgebracht, zu „Therapien bei Multiple Sklerose“ dabei. Dabei handelt es sich um die medikamentösen Therapien und die Symptombehandlung“. Das ist auch das letzte Ratgeberbuch, welches wir im Bezug auf die MS geschrieben haben. Unser Augenmerk ist auf weitere Biografien gerichtet und daher arbeiten wir an einem zweiten Teil zu unserem ersten Buch.
Nebenbei geht es für uns auch bald samt Rollis auf Kreuzfahrt und vielleicht entsteht auch da ein kleines Werk der Erlebnisse.

Was möchtet ihr uns sonst noch erzählen?

Das wofür wir uns einsetzen und auch völlig vertreten, ist ein erfülltes Leben, trotz einer chronischen Erkrankung oder Behinderung. Es gibt immer noch zahlreiche Wege, das Leben dennoch erfüllt zu leben. Manchmal sind es kleine Dinge, die dazu beitragen können, manchmal auch ein einfaches Gespräch oder ein wenig Motivation.
Wir sind offen und gerne ein Wegbegleiter. Wer Kontakt sucht oder sich vielleicht auch einmal austauschen möchte, der findet uns zum einen über unsere Homepage unter:

http://kerstin-markus-schaefer-autor.jimdo.com/

Oder auch bei Facebook in unserer kleinen Facebook-Gruppe:
https://www.facebook.com/groups/KMS.MotivationundLebensfreude/

sowie unter der dortigen Seite: https://www.facebook.com/KundMSchaefer/

Vielen Dank für das Interview, Kerstin und Markus Schäfer. Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg und dass ihr noch lange fit genug bleibt, um so zu leben, wie ihr auch das vorstellt.

Wir danken auch ganz herzlich und wünschen alles Gute!