Ich freue mich heute Doris Luser zum Interview in der ABS-Lese-Ecke begrüßen zu können. Doris Luser hat die Autobiografie „Ich ritt Gaddafis Pferde“ geschrieben.
Guten Tag, Doris Luser.
Grüß Gott liebe Frau Schmitz!
Ihr Buch handelt von Ihrem Aufenthalt in Libyen zur Zeit Gaddafis. Wie kommt eine junge, alleinstehende Frau auf die Idee sich ausgerechnet nach Libyen versetzen zu lassen?
Als reiselustige Frau habe ich das Angebot meiner Firma, einem internationalen Energiekonzern, angenommen, mich nach Libyen versetzten zu lassen. Die Alternativen wären nicht unbedingt „bequemer“ gewesen, denn die Firma ist auch in Ländern wie Irak, Iran, Pakistan und Jemen sowie der Ukraine vertreten …
In Ihrem Buch beschreiben Sie einige Aktionen zur Rettung von Tieren, die in einem muslimischen, patriarchalischen Land gerade für eine Frau nicht ungefährlich sind. Hatten sie keine Angst in einem libyschen Gefängnis zu landen? Oder wären Sie als Ausländerin sowieso schlimmstenfalls ausgewiesen worden?
Als Expatriate hätte ich innerhalb von 24 Stunden ausgewiesen werden können. Einem Kollegen ist dies passiert, als er die Tochter eines Ministers nur ansatzweise „abfällig“ bewertete; eine Mitarbeiterin eines anderen europäischen Unternehmens war in einem Unfall verwickelt, und sie durfte NICHT MEHR ausreisen, bis die Bezahlung und die Höhe der „Schuldsumme“ geklärt waren. Hier gilt, dass immer der Ausländer die Schuld an einem Unfall trägt, denn wäre er nicht da gewesen, wäre der Unfall nie passiert! (Ich nannte das das „Asterix-Prinzip“: Die spinnen die Römer !) Weiters wurden zu meiner Zeit in Tripolis in Wohnungen der alleinstehenden (ausländischen natürlich) Frauen eingebrochen – niemals konnte man bzw. frau auch nur Anzeige erstatten.
In meinem Fall hätte ich mich mit Händen und Füssen gegen eine erzwungene Ausreise gewehrt – wegen meiner libyschen Tiere. Für Jacques, den Papagei, dauerte es drei Monate, seine Ausreise- bzw. Einreisepapiere nach Österreich genehmigt zu bekommen!
Aber ich hatte, nachdem ich ja mit Gaddafis Sohn Saif al Islam gut bekannt war, eine „Sonderstellung“ eingenommen, die – im Falle eines Falles – eine genötigte Ausreise verhindert hätte.
So wie Sie den Umgang der Libyer mit Tieren beschreiben, ist der echt grauenhaft. Sie waren ja auch in anderen nicht-europäischen Ländern. Ist Libyen eine extreme Ausnahme oder leben wir in West-Europa in dieser Hinsicht auf einer Insel der Seligen?
Der Umgang mit Tieren ist in allen muslimischen Ländern gleich. Manche verstecken es vor den Touristen (gibt’s in Libyen nicht); den anderen ist es egal, wie lange ein Tier sich im Todeskampf windet … dies gilt im Übrigen auch für die rituelle Schächtung – und wird leider auch bei uns in Europa zur Würdigung dieser Religion hingenommen. Es ist geradezu skandalös, dass der erste Schnitt, der den Rindern zugefügt wird, immer noch ohne Betäubung passiert.
Es gibt im Orient keine Wertschätzung für Tiere, die oft als „unrein“ gelten oder als Gebrauchsgegenstand dienen.
Im Moment sind die Zustände in Libyen wahrscheinlich für Menschen ähnlich grauenhaft wie damals für die Tiere. Haben Sie noch Kontakte nach Libyen?
Ich habe Kontakt zu Gaddafis Designerin Rabia Ben Barka, über die ich in meinem nächsten Buch erzählen will: „Eintausendundein Schönheitsgeheimnis der Orientalin“!
Dann telefoniere ich ab und zu mit Najat, der einzigen libyschen Reiterin aus meinem Buch – ihr Mann, General Faris, ist bei der Revolution verschwunden, sie und ihre Kinder wissen nicht, wo er ist.
Und zu einem Tierarzt namens Adel habe ich noch Kontakt.
Ich habe schon Bücher von anderen Autoren gelesen, die eine Zeitlang in anderen Ländern gelebt haben. Zum Teil hatten sie erhebliche Schwierigkeiten sich wieder an das Leben in ihrem Heimatland zu gewöhnen. War das bei Ihnen auch so?
Ich bin sehr pragmatisch veranlagt und da zuhause, wo meine Familie und meine Tiere sind. Aber ich glaube es ist immer die Einstellung, die es einem möglich macht, sich da wohlzufühlen, wo man gerade ist bzw. sein muss. Auch habe ich nie aufgehört, meine Werte zu vertreten und wenn jemand aus dem Orient an unseren westlichen Traditionen interessiert ist, habe ich große Freude, sie ihm zu erklären, verlange aber nicht, dass er sie auch akzeptiert – wie es umgekehrt immer der Fall war.
In welchem Land waren Sie am liebsten?
Die Freiheit, die ich trotz ständiger Beobachtung in Libyen erfahren habe, war mir damals sehr wichtig. In Libyen hatte ich – wegen Saifs Bekanntschaft – keine Einschränkungen, wie sie andere Expats widerfahren sind. Dies habe ich aber nicht ausgenutzt, sondern mich (mit kleinen Ausnahmen ) unauffällig verhalten. Es reichte mir zu wissen, dass ich könnte, wenn ich wollte …
Zum Zeitpunkt, als ich Chico – den Hund ohne Schwanz – kennenlernte, kannte ich Saif noch nicht, aber wenn es um das Wohl und Recht eines Tieres geht, kann ich schon mal ausrasten, ohne an mögliche Folgen zu denken.
Könnten Sie sich vorstellen eines Tages ganz aus Österreich weg zu gehen?
Ich habe im Südlichen Weinviertel meine tiefen Wurzeln und werde dahin wohl immer von meinen Reisen zurückkehren.
Sie wollen, wenn die politischen Umstände es wieder zulassen, die Einnahmen aus Ihrem Buch für ein Hilfsprojekt für Tiere in Libyen verwenden. An was hatten Sie dabei gedacht?
Ich habe an eine Zusammenarbeit mit lokalen und österreichischen Tierärzten gedacht, um zumindest Hunde und Katzen zu sterilisieren. Dass es dabei nicht bleiben wird, weiß ich natürlich schon jetzt … aber es steht in den Sternen, wann dieses Projekt – wegen der politischen Unruhe – wirklich realisiert werden kann.
Würde ein solches Projekt überhaupt bei der Bevölkerung auf Verständnis stoßen?
Nein, die Bevölkerung würde sich darüber lustig machen, warum man überhaupt Geld für solch niedrige Kreaturen ausgibt. In den Tiermärkten, die ich im Buch nicht beschrieben habe, sitzen Siam Kätzchen, denen man die Schnurrhaare abgeschnitten hat, in kleinen Hasengitter-Käfigen über Käfigen mit Schildkröten, die übereinandergestapelt sind. Über den Katzen sitzt ein Stachelschwein im viel zu kleinen Käfig, dessen Stacheln beim Vorbeigehen ausgezupft werden von den Einheimischen … die Äffchen sitzen mit Augenentzündungen traurig herum und werden von mitleiderregenden Adlern und Falken uninteressiert beobachtet. Chamäleons ohne Schwänze werden in Schuhkartons verkauft. Wüstentieren wie Antilopen und Füchse werden auf Farmen als Prestige gehalten. Sie verstehen, warum ich nicht ausführlich darüber berichten konnte? Wenn man diese Länder kennt, weiß man, dass mein Projekt fast sinnlos ist. Aber wie sagte schon Oskar Schindler: „Wer nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt!“ Schindler meinte damit natürlich nicht die Tiere, ich schon.
Planen sie weitere Bücher über Ihre Auslandsaufenthalte?
Ich habe so viele Ideen, und immer wird das Morgenland im Vordergrund stehen!
Vielen Dank für das Interview, Doris Luser. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihren Projekten.
Ich danke Ihnen, liebe Frau Schmitz!
PS: Die ersten 300 Exemplare von „Ich ritt Gaddafis Pferde“ sind verkauft. Das Buch geht jetzt in die 2. Auflage!
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