„Das Geheimnis der Hundesitterin“

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Clue Writing hat zu einer Blogparade aufgerufen. Hierbei soll zu einem vorgegebenen Titel eine Kurzgeschichte geschrieben werden. Diese Blogparade läuft noch bis zum 15. Mai 2015.
Dies ist mein Beitrag zu dieser Blogparade. Viel Spaß 🙂

Das Geheimnis der Hundesitterin

Als es schellte, eilte Rob gespannt zur Tür. Balduin hatte einmal kurz »Wuff« gemacht und sich dann erwartungsvoll neben Rob platziert. Das würde wohl die Hundesitterin sein, die sich auf Robs Zeitungsanzeige hin gemeldet hatte. Er öffnete und sie standen einer sportlich aussehenden jungen Frau gegenüber. »Janine Meier«, stellte sie sich vor und reichte Rob die Hand. »Wir hatten wegen Balduin telefoniert.« Lächelnd schaute sie zwischen Rob und Balduin hin und her. »Rob Tenhuis«, antwortete Rob, »kommen Sie doch bitte herein.« Er führte Janine in das Wohnzimmer und bat sie Platz zu nehmen. Balduin trottete schwanzwedelnd hinter ihnen her. »Magst du nicht mal herkommen, mein Kleiner«, fragte Janine, während sie Balduin ihre Hand zum Beschnuppern hin hielt. Rob musste grinsen. Balduin als Kleiner zu bezeichnen war wirklich gelungen. Mit einer Schulterhöhe von 60 cm hatte er fast Doggen-Format, auch wenn kein Mensch wusste, welche Rassen er in sich vereinte. Zumindest schien sie mit Balduins Größe kein Problem zu haben, im Gegensatz zu den anderen Kandidaten und Kandidatinnen, die sich auf seine Anzeige hin in den letzten Tagen vorgestellt hatten. Balduin hatte es sich in der Zwischenzeit zu Janines Füßen bequem gemacht. Sein Schwanz klopfte regelmäßig auf den Boden, während sie ihn streichelte und leise auf ihn einsprach. Rob setzte sich den beiden gegenüber in einen Sessel und sie begannen, die Einzelheiten des zukünftigen Hundesittings zu besprechen. Nach einer halben Stunde waren sie sich einig. Rob und Balduin brachten Janine zu Tür und verabschiedeten sich. Morgen früh würde sie Balduin für den ersten Probetag abholen.

Die drei vereinbarten Probetage verliefen sehr erfreulich. Janine stand morgens pünktlich vor der Tür. Balduin lief ihr schon schwanzwedelnd entgegen. Abends brachte Janine einen entspannt wirkenden Balduin zurück. Am ersten Tag hatte Rob sie hereingebeten. Bei einem Drink hatten sie sich locker über Balduins Tag unterhalten. Rob war unendlich erleichtert. Es hatte sich doch als unerwartet schwierig erwiesen, einen Hundesitter für einen unkastrierten Rüden von Balduins Größe zu finden. Die Familie, bei der Balduin bisher Robs Arbeitstage verbracht hatte, zog leider weg. Aber mit Janine schienen sie einen Glücksfang gemacht zu haben. Er fand die junge Frau sehr sympathisch und Balduin schien auch ganz begeistert von ihr zu sein.

Auch Janine war mit dem Arrangement sehr zufrieden. Einerseits war das Hundehüten ein netter Zuverdienst, andererseits bekam sie so wenigstens ein bisschen Kontakt zu anderen Leuten. Sie kannte in dieser Stadt bisher niemanden. Das war doch sehr schwer für sie. Sie vermisste ihre Freunde und Bekannten. Obwohl so viele waren ihr ja gar nicht geblieben. Aber das war wohl der Preis, den sie zahlen musste, wenn sie wieder ein normales Leben führen wollte. Ihre Arbeit als Buch-Illustratorin konnte sie überall ausüben. So hatte sie wenigstens ein kleines Einkommen.

Zwei Monate vergingen relativ ereignislos. Eines Abends saß Rob am Rechner und las seine privaten Emails. Die Mail von einem ThorHammer mit dem Betreff »Warnung« wollte er schon löschen, überlegte es sich im letzten Moment aber doch noch anders. »Mal sehen, was für ein Spinner das ist. Wovor will er mich warnen? Vor kosmischen Strahlungen, der Weltverschwörung?« dachte Ron amüsiert und klickte die Mail an. Dann schüttelte er den Kopf und knurrte gar nicht mehr amüsiert: «So ein Spinner. Was soll der Mist?« Er löschte die Mail, fuhr den Rechner runter und rief nach Balduin, um mit ihm noch eine schnelle Runde um das Haus zu drehen.

Einige Tage später wurde Rob mitten in der Nacht von Balduins Bellen geweckt. Irritiert setzte er sich im Bett auf und schaltete das Licht an.
»Was ist denn los, Balduin?« gähnte er. Balduin lief aufgeregt knurrend zur Tür.
»Sei doch mal still, aus jetzt!«, sagte Rob. Er lauschte in die Nacht, konnte aber nicht hören. Langsam beruhigte sich Balduin auch wieder. »Hast du Nachbars Katze gehört?«, brummte Rob verstimmt. Er löschte das Licht und legte sich wieder hin.

Als er am Morgen zur Arbeit fahren wollte, sah er, dass einer der Autoreifen platt war. »Das darf doch nicht wahr sein!«, schimpfte Rob. »Gestern Abend waren doch noch alle Reifen in Ordnung.« Er bückte sich und untersuchte den platten Reifen genauer. Aufgeschlitzt. Dashalb hatte Balduin also nachts geknurrt. »Mist! Was jetzt?«, dachte Rob. »Zur Polizei und Anzeige erstatten? Das brachte doch sowieso nichts.« Und er war auch schon spät dran, den Reifen musste er jetzt auch noch wechseln. Fluchend machte Rob sich an die Arbeit.

Als er abends seine Emails abrief, war da wieder eine Nachricht von ThorHammer. Sollte da ein Zusammenhang bestehen? Rob öffnete die Mail. »Du hast meine erste Warnung wohl nicht ernst genommen? Glaubst du mir jetzt, dass ich dich kriege? Lass die Finger von meiner Frau. Beim nächsten Mal geht es nicht so harmlos ab«, las Rob. «Wer ist dieser Spinner?«, dachte er. »Seit der Trennung von Daniela habe ich mit keiner Frau mehr was zu tun gehabt. Der ist wohl vollkommen durchgeknallt. Oder sollte Danielas neuer Freund dahinter stecken. Aber warum? Sie hatten doch keinen Kontakt mehr gehabt. Wahrscheinlich sollte der wirklich Anzeige erstatten. War Danielas Freund nicht bei der Polizei? Und wenn er nun doch derjenige war? Vielleicht redete er besser erst mal mit Daniela.«

Nachdem Janine Balduin am nächsten Morgen abgeholt hatte, nahm Rob das Telefon und rief Daniela an. Sie war unangenehm überrascht, wieder von Rob zu hören. Er hatte Mühe sie davon abzuhalten, gleich wieder aufzulegen. Mühsam, immer wieder von ihren wütenden Ausrufen unterbrochen, erklärte Rob Daniela die Situation.
»Und du glaubst wirklich, Heinz steckt dahinter? Du spinnst doch!« schnaubte Daniela ins Telefon.
»Ich glaube gar nichts. Ich weiß einfach nicht, was los ist« antwortete Rob. »Aber wer sollte es sonst sein? Du weißt genau, ich bin kein Frauenheld. So geht das auf jeden Fall nicht weiter. Ich gehe zur Polizei. Dürfte für deinen Heinz ziemlich peinlich werden«.
»Wo Rob Recht hatte, hatte er Recht«, dachte Daniela.
»Warte mal«, sagte sie nachdenklich. »Nein, ich glaube nicht, dass Heinz etwas damit zu tun hat. Aber vielleicht kann er dir helfen. Hast du den zerstochenen Reifen und die Emails noch?«
»Der Reifen liegt in meinem Kofferraum. Die letzte Mail habe ich noch. Die erste habe ich gelöscht«, antwortete Rob.
»Gut, ich rede mit Heinz und rufe dich zurück. Dann kannst du ja immer noch zur Polizei gehen.«

Mittags klingelte Robs Telefon. Es war Heinz. Rob sollte ihm die Email auf seinen Dienstrechner schicken. Vielleicht konnten die Computerspezialisten die Adresse des Absenders herausbekommen. Sie verabredeten sich für abends in Robs Haus. Heinz wollte sich dann den Reifen ansehen und sie würden besprechen, wie sie weiter vorgehen wollten.

Als Rob abends nach Hause kam, stand Heinz schon bei ihm vor der Tür. Sie sahen sich zusammen den kaputten Reifen an.
»Eindeutig zerschnitten«, stellte Heinz fest. »Ich glaube zwar nicht, dass wir da noch Finderabdrücke finden, aber ich nehme ihn auf jeden Fall mal mit.« Sie luden den Reifen in Heinz Wagen und gingen dann in Robs Haus. Rob führte Heinz ins Wohnzimmer und bot ihm etwas zu trinken an. Es schellte und Rob öffnete die Tür. Balduin sprang erfreut an ihm hoch, hob dann den Kopf, schnüffelte und raste ins Haus.
«Was ist denn mit dem los?«, fragte Janine kopfschüttelnd.
»Ich habe einen Bekannten zu Besuch«, antwortete Rob. Janine wollte sich gerade verabschieden, da er erschienen Heinz und Balduin an der Tür.
»Willst du mich nicht vorstellen«, fragte Heinz.
Rob guckte etwas irritiert, sagte dann aber: «Janine, das ist mein Bekannter Heinz. Heinz, das ist unsere Hundesitterin Janine.«
»Janine, haben Sie noch einen Moment Zeit?«, fragte Heinz.
Rob schaute Heinz verblüfft an, zuckte dann mit den Schultern und meinte: «Lasst uns doch rein gehen.« Sie ließen sich alle drei im Wohnzimmer nieder, Balduin legt sich vor Janines Füße, Rob verteilte Getränke.
»Sind Sie verheiratet, Janine?«, fragte Heinz.
»Was geht das denn Sie an?«, antwortete Janine schnippisch.
Rob wollte Heinz auch schon zurechtweisen, da dämmerte ihm, was Heinz meinte.
»Entschuldige, Janine«, sagte er beruhigend. »Heinz meint das nicht so. Ich muss dir was erklären.« Dann erzählte er, der immer blasser werdenden Janine, was sich in letzter Zeit zugetragen hatte. Schließlich brach Janine in Tränen aus.
»Oh nein, geht das schon wieder los. Wird der mich denn nie in Ruhe lassen«, jammerte sie. Balduin kam angetrottet, legte seine Pfote auf Janines Bein und stupste sie mit dem Kopf an. Schluchzen vergrub sie ihr Gesicht in Balduins Fell. Die beiden Männer sahen sich erstaunt und ratlos an. Schließlich hatte Janine sich etwas beruhigt.
»Ich fürchte, das ist das Werk meines Ex-Mannes«, sagte Janine aufgebracht. «Er will die Scheidung einfach nichts akzeptieren. Erst hat er mich ständig verfolgt. Ich habe nach einiger Zeit Anzeige erstattet und er durfte sich mir nicht mehr nähern. Dann hat er angefangen, meine Freunde und Bekannten zu beschimpfen und zu bedrohen«, erzählte Janine.
Rob war aufgesprungen und tigerte nervös im Zimmer auf und ab. Heinz hatte sich etwas vorgebeugt und hörte Janine gespannt zu.
»Auch bei meinem Arbeitgeber, einem Buchverlag, hat er es versucht. Aber die haben ihm direkt die Rechtsabteilung auf den Hals gehetzt. Da war dann schnell Ruhe«, fuhr Janine mit ihrer Erzählung fort. »Nur nach und nach haben sich die meisten meiner Freunde und Bekannten von mir zurückgezogen. Die wollten eben keinen Ärger haben. Ich habe dann meinen Geburtsnamen wieder angenommen und bin hierher gezogen, in der Hoffnung, dass er mich nicht findet und ich endlich wieder in Ruhe leben kann. Und jetzt geht das schon wieder los!« Janine fing erneut an zu schluchzen.
Balduin drängte sich an Janine und versuchte ihr Gesicht abzulecken. Sanft wehrte sie seine Zunge ab und streichelte ihn.
»Dem werden wir ganz schnell ein Ende machen«, sagte Heinz. »Vorausgesetzt Rob ist bereit Anzeige zu erstatten.«
Rob ließ sich wieder in einen Sessel fallen.
»Ja natürlich erstatte ich Anzeige. Dem Kerl muss doch das Handwerk gelegt werden«, antwortete er wütend.
»Dann darf ich weiter Balduins Hundesitter sein?«, fragte Janine ängstlich.
Rob schaute sie mit großen Augen an. »Ja, aber natürlich. Wir sind doch froh, dass wir dich gefunden haben.«

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