Mit Matthias Ernst habe ich einen Krimi-Autor zu Gast, der ganz auf eBooks setzt, und unter Pseudonym historische Romane schreibt.
Guten Tag Matthias Ernst.
Anfang des Jahres hast du deinen zweiten Krimi »Schwabenmord« herausgebracht. Um was geht es in diesem Buch?
»Schwabenmord« ist die Geschichte eines beruflichen Wiedereinstiegs. Meine Kommissarin ist zu Beginn des Romans ziemlich angeschlagen und war zuvor ein ganzes Jahr lang außer Gefecht gesetzt. Nun kämpft sie sich langsam wieder zurück in ihr altes Team. Dabei klärt sie sowohl den Mord an einem Heilpraktiker, der in einem Fass Rapsöl ertränkt wurde, als auch eine Serie von Radarfallensprengungen auf. Und nebenbei begibt sie sich auf die nicht ganz einfache Suche nach einem geeigneten Psychotherapeuten.
»Schwabenmord« gehört zu einer Reihe, die du 2015 mit »Die Spur des Jägers« begonnen hast. Die Protagonistin ist in beiden Krimis die Kriminalkommissarin Inge Vill. Wie bist du auf die Idee gekommen, als Mann eine Frau in den Mittelpunkt deiner Bücher zu stellen?
Das war ein ganz natürlicher Prozess. Der Ausgangspunkt für »Die Spur des Jägers« war die Figur eines psychisch angeschlagenen Polizeibeamten, die mir schon länger im Kopf herumgespukt war. Als ich mich intensiver mit dem Protagonisten beschäftigt habe, hat er dann plötzlich sein Geschlecht gewechselt. Als Frau war er/sie mit einem Mal viel plastischer und lebensechter. Ich mag starke Frauenfiguren. Meine Inge Vill hat es nicht leicht im Leben, aber sie beißt sich durch. Inzwischen ist sie mir so sehr ans Herz gewachsen, dass ich mir gut vorstellen kann, ihren weiteren Lebensweg bis zur Pensionierung und darüber hinaus in ganz vielen Krimis zu begleiten.
Deine Krimis sind beim Midnight Verlag nur als eBooks erschienen. Verzichtest du damit nicht auf einen großen Teil potenzieller Leser?
Klar höre ich gerade von älteren Lesern oft ein Bedauern, dass man die Bücher nicht in gedruckter Form kaufen kann. Ursprünglich hatte ich das Manuskript auch Printverlagen zugeschickt. Aber als dann Midnight Interesse gezeigt hat, habe ich nicht lange gezögert. Der größte Vorteil der Veröffentlichung als eBook ist m. E., dass es wesentlich schneller geht als in der klassischen Printvariante. Bei »Schwabenmord« vergingen vom Schreiben des ersten Wortes bis zur Publikation beispielsweise nur 6 Monate und 15 Tage. Zudem mag ich persönlich eBooks inzwischen sogar lieber als gedruckte Bücher.
Wer eBooks herausbringt, muss heute leider mit Piraterie rechnen. Ist das für dich ein Thema oder überlässt du diese Sorge ganz dem Verlag?
Ich verfolge diese Entwicklung eher mit Bedauern als mit Sorge. Seitdem ich selbst schreibe, weiß ich den Wert künstlerischer Erzeugnisse erst richtig zu schätzen. Es stecken unendlich viel Arbeit, Mühe und Herzblut darin, ganz gleich, ob es sich um einen Film, ein Musikstück oder ein Buch handelt. Wenn dann ein eBook auf einer dieser Piratenplattformen für 15 Cent verscherbelt wird, ist das aus meiner Sicht eine Unverschämtheit dem Autor gegenüber. Da ich nicht vom Schreiben lebe, trifft mich Piraterie zwar nicht so hart wie Kollegen, die auf ihre Verkaufserlöse angewiesen sind. Aber ein bitterer Nachgeschmack bleibt in jedem Fall.
Dein Schreiben begann aber eigentlich mit historischen Romanen. Den ersten Band der Tetralogie, die im Jahr 1572 beginnt, hast du nach langer Schreibarbeit 2014 als Self-Publisher herausgebracht. Er hat den originellen Titel »B«. Für was steht dieses B?
Als ich vor 18 Jahren mit der Arbeit an »B« begann, hatte ich die fixe Idee, dass ein Roman mit diesem Titel in einer Buchhandlung viel Aufmerksamkeit erregen würde. Ein einzelnes, blutrotes „B“ auf schwarzem Hintergrund, ein eingängiges Symbol für den Überlebenskampf zweier Hugenotten in den französischen Glaubenskriegen. Daraus habe ich eine Art Leitmotiv entwickelt, die das Buch durchzieht. So beginnen alle Kapitel mit einem „B“ und auch einige der Charaktere tragen Namen, die mit diesem Buchstaben anfangen. Leider kam dann einige Jahre später ein Buch auf den Markt, das den Titel »Q« trug, insofern war meine geniale Marketingidee für die Katz :-). Aber die „B“s sind geblieben. Und zusammen mit den Titeln der Folgebände (»D«, »W«, und »H«) entsteht die Abkürzung einer Redewendung, deren Bedeutung ich allerdings erst enthülle, wenn alle Bücher veröffentlicht sind.
2015 erschien dann der zweite Band »D«. Erzähl uns doch etwas darüber.
Ursprünglich wollte ich die in »B« begonnene Geschichte in zwei Folgebänden fortführen. Dann merkte ich aber, dass es eine große Lücke im Plot gab, die ich nicht durch lange Rückblicke stopfen wollte. »D« füllt diese Lücke, ist aber kein Lückenbüßer. Es hat viel Spaß gemacht, diesen Roman zu schreiben. Das 16. Jahrhundert war eine Zeit voller Umwälzungen und interessanter Persönlichkeiten. Unter anderem lasse ich Giordano Bruno als Nebenfigur auftreten. Ich habe mich über ein halbes Jahr lang in seine Biografie, seine Philosophie und seine Theorie des Gedächtnisses eingelesen. Allein das war schon eine faszinierende Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte.
Da du jetzt zwei Bücher als Self-Publisher und zwei bei einem Verlag herausgebracht hast, kannst du sicher etwas über die Unterschiede dieser beiden Arten der Veröffentlichung sagen.
Ich fand die Unterschiede gar nicht so gewaltig. Das liegt aber vielleicht daran, dass Midnight sehr nah am Puls der Self-Publisher ist. Der Verlag nimmt mir Lektorat, Korrektorat und Covergestaltung ab und bewirbt das Buch auf seinen Social Media Kanälen. Bezüglich des Textes hatte ich mehr oder weniger freie Hand, spannende Diskussionen gab es wegen Titel und Cover. Letztendlich bin ich froh darüber, dass mir der Verlag viel Arbeit abgenommen hat. Ich schließe aber nicht aus, dass ich zukünftige Bücher auch wieder selbst publiziere.
Du bist Mitglied im »Syndikat«. Wirst du dort überhaupt ernst genommen? Schließlich hast du doch noch gar kein Papierbuch bei einem Verlag herausgebracht 🙂
Das war anfangs tatsächlich eine ganz lustige Situation. Als ich mich beim »Syndikat« beworben habe, sollte ich ein Belegexemplar von »Die Spur des Jägers« einreichen. Offenbar war ich einer der ersten Bewerber, die bislang nur eBooks veröffentlicht hatten und dafür gab es noch kein Procedere. Ich bot an, eine Datei zu schicken, aber nach kurzer, sehr freundlicher Diskussion, wurde vonseiten der Geschäftsstelle darauf verzichtet. Dass ich „nur“ eBooks veröffentliche, war dort bislang ansonsten gar kein Thema, ich fühle mich als vollwertiges Mitglied. Und vielleicht kann ich ja bald einen Krimi in Printform einreichen, wer weiß …
Schreibst du schon an einem weiteren Buch? Krimi oder Historisches?
Ich schreibe gerade an einem neuen Krimi, der nicht Teil meiner Inge-Vill-Reihe ist. „Lindenweiherleichen“, so der Arbeitstitel, spielt auch in Oberschwaben, dieses Mal aber an einem konkreten Ort. Außerdem recherchiere ich für den dritten Teil meiner historischen Romanreihe, die ich 2017 fortsetzen möchte. Und dann habe ich noch ein längerfristiges Projekt, ein Selbsthilfebuch zum Thema „Grübeln“. Ich bin in meinem Brotberuf Psychologe und das ist eine Problematik, mit der viele meiner Patienten zu tun haben.
Möchtest du den Leser*innen sonst noch etwas erzählen?
Ich bin Mitglied bei den „BartBroAuthors“, einem sehr witzigen und kreativen Netzwerk aus Autoren, Lektoren, Grafikern und anderen Professionen. Uns eint die Liebe zu Büchern, zum Schreiben und zum Veröffentlichen. Haltet die Augen auf und spitzt die Ohren, ihr werdet noch viel von uns hören :-).
Vielen Dank, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast, Matthias Ernst. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen verschiedenen Buchprojekten.
Vielen Dank für die spannenden Fragen. Es war mir ein Vergnügen!