Heute habe ich eine Autorin zu Gast, die sich humorvoll mit Alltagsproblemen befasst.
Guten Tag Katja Heimann.
Der Titel deines Buches „Vitamin V wie Wohnung“ klingt ja ein bisschen abgedreht 🙂 Erzähl uns doch etwas darüber.
In der Tat bin ich schon häufiger nach dem Titel gefragt worden. Ich habe ihn ja auch bewusst so gewählt, dass man darüber stolpert und überlegt, was es damit wohl auf sich hat. Aber was das ist, möchte ich an dieser Stelle gar nicht verraten, das muss man nämlich selbst beim Lesen herausfinden. Sorry!
Wie bist du auf die Idee für dieses Buch gekommen?
Ich hatte einen Traum, einen verstörenden Traum: Ich stand vor meinem Elternhaus auf der Straße, blickte zur Haustür – und eine völlig fremde Person öffnete die Tür von innen. Mit dieser wortlosen Gewissheit, die Träumen mitunter eigen ist, wusste ich in dem Moment, dass diese Person jetzt in unserem Haus wohnt. Das Entsetzen darüber war mir beim Aufwachen noch so präsent, dass ich beschloss, diese Situation in einem Buch zu verarbeiten. Dieses Erlebnis ist zur Ausgangsszene des Buches geworden. (Das ist übrigens gleich die erste Szene in der Leseprobe – s. unter dem Interview.)
Mehrgenerationenhäuser werden in manchen Städten gefördert. Hältst du das in der Realität für eine gute Idee?
Angesichts meines Buchthemas denke ich hier an Wohnprojekte, die Menschen und Familien aller Altersgruppen so zusammenbringen, dass eine Gemeinschaft entsteht und alle einander unterstützen können.
Ich finde das eine schöne Idee. Es ist ja so, dass viele junge Familien weit weg von den (Groß-)Eltern leben und die gegenseitige Hilfe im Alltag nicht möglich ist (Stichwort babysitten oder Opa und Oma beim Einkaufen oder mit dem Internet helfen). Ich habe diejenigen unserer Nachbarn, die aus der Gegend stammen und ihr ganzes Leben hier verbracht haben, immer ein bisschen um die Großeltern als kostenlose Babysitter beneidet. Und mittlerweile sehen wir, dass unsere Eltern mehr Unterstützung bräuchten, aber aus der Ferne ist das einfach nicht zu leisten. Mehrgenerationenwohnen könnte eine Alternative sein, und ob man nun miteinander verwandt ist, finde ich da gar nicht so wichtig. Natürlich darf man so ein Modell nicht nur unter dem Nutzen-Aspekt betrachten, aber diese praktischen Überlegungen kommen mir aufgrund meiner eigenen Erfahrung als Erstes in den Sinn.
Allerdings ist so ein Wohnmodell sicher nicht für alle Persönlichkeiten geeignet, ich selbst zum Beispiel zweifle, ob ich mich darauf einlassen könnte. Ich stelle es mir schwierig vor, Regeln zu definieren, die einerseits für ein gutes und ausgeglichenes Miteinander sorgen, andererseits aber auch die individuellen Bedürfnisse nach Freiraum berücksichtigen. Letzteres ist ja auch der Punkt, an dem sich Rea in meinem Buch besonders reibt: Ihr ist das Zusammenleben mit Nora und Colin oft zu eng, und wirklich selbst gewählt ist es ja ohnehin nicht.
Etwas größer gedacht: Modellprojekte, wie sie manchmal in Zeitschriften vorgestellt werden, verschlingen bestimmt viel Geld, kommen am Ende aber nur wenigen zugute. Ich vermute auch, dass solche Projekte sich eher an Menschen richten, die finanziell besser aufgestellt sind. Für die Gesellschaft insgesamt wäre es sicher lohnender, über Lösungen nachzudenken, von denen mehr Menschen und gerade auch Ärmere profitieren können.
Es heißt doch immer: Autorinnen sollen über das schreiben, was sie kennen. Hast du selber große Erfahrungen mit der Wohnungssuche?
Die hat sich in meinem Leben zum Glück insgesamt relativ unkompliziert gestaltet. Natürlich ist uns von der Wohnungssuche das eine oder andere skurrile Angebot in Erinnerung geblieben. Ich denke da an das ungemütliche kleine Haus auf dem Gelände eines irischen Golfplatzes: zubetonierter „Garten“, total unebene Wände, ältliches Interieur und ein Standard mit Sechziger-Jahre-Anmutung. Oder ein verwinkeltes Fachwerkhaus in Deutschland mit einer niederdrückenden „Stehhöhe“ von ca. 1,80 m, dem jeglicher Charme, den das Stichwort „Fachwerkhaus“ in unserer Vorstellung auslöst, fehlte. Schon als der Makler uns draußen nahezu verzweifelt beschwor, wir würden hier etwas „ganz Besonderes“ besichtigen, war klar, dass irgendwas nicht stimmte.
Aber natürlich schreibe ich in anderer Hinsicht über das, was ich kenne: So ist Nora nicht von ungefähr freiberufliche Fachübersetzerin, das bin ich nämlich im Brotberuf auch. Da der Beruf, wie bei den meisten Menschen, auch Noras Alltag prägt, fand ich das wichtig. Und dass der Roman in meiner Heimatstadt Hamburg spielt, war für mich von Anfang an ganz klar.
Dein Buch hast du als Selfpublisherin über tredition veröffentlicht. Warum hast du dich dafür entschieden?
Ich habe natürlich die Angebote verschiedener Dienstleister verglichen, Fazit war allerdings, dass sie nur begrenzt vergleichbar sind. Dabei hat mir kein Anbieter rundum gefallen. Für tredition sprachen außer dem Bauchgefühl und dem sympathischen Eindruck die überschaubaren Vertragsbedingungen, das Angebot, Buchhandlungen bei Lesungen einen Büchertisch mit vollem Rückgaberecht zu stellen, und positive Erfahrungen einer Kollegin.
Du bist ja schon ziemlich viel rumgekommen. Geboren in Hamburg, studiert in Hildesheim, dann nach Irland gegangen und jetzt wieder zurück in Hildesheim. Gibt es prinzipielle Unterschiede zwischen dem Leben in Deutschland und in Irland?
Interessante Frage! Ich muss vorausschicken, dass es inzwischen schon fast 20 Jahre her ist, dass wir Irland verlassen haben, meine Erfahrungen sind also schon älter. Dazu kommt, dass wir in Irland zu zweit waren, aber nicht so lange nach unserer Rückkehr Eltern geworden sind. Und ich behaupte mal, ein Kind verändert das Leben stärker als so ein Umzug. Dass das Leben in Deutschland sich anders anfühlte, liegt also nicht bloß am Land. Und natürlich kann ich hier keine erschöpfende Aufzählung liefern, ich habe ganz subjektiv ein paar Punkte herausgegriffen.
Der Tag beginnt später. Regulär schlägt man um 9 im Büro auf. Natürlich hat man dann auch erst später Feierabend, und abendliche Freizeitaktivitäten verschieben sich entsprechend. Die Proben unserer Theatergruppe endeten locker gegen 23 Uhr – für Deutschland scheint mir das undenkbar.
Apropos Freizeit: In Irland schmeckt Guinness großartig, das in Deutschland ausgeschenkte Gebräu ist dagegen nicht ansatzweise so lecker. Überhaupt ist die Pub-Kultur eine andere, darüber gäbe es viel zu sagen. Pubs richten sich nicht so sehr wie in Deutschland an eine bestimmte Klientel, und gerade auf dem Land treffen sich die Menschen aus der Gegend dort tatsächlich zum gemeinsamen Musizieren, genau, wie man sich Irland vorstellt.
Und dann die Busse. Es ist zwar lustig, in Dublin mit den Doppeldeckern zu fahren, aber die Fahrpläne sind eine Katastrophe. Wenn ich hier den Bus nehmen möchte, erwarte ich an der Haltestelle einen Aushang mit den Zeiten, wann genau der Bus an meiner Haltestelle abfährt. In Irland hängen zwar auch Fahrpläne an den Haltestellen, aber darauf steht nicht, wann der Bus kommt, sondern wann er an der Starthaltestelle losfährt und durch welche Stadtteile er fährt. Ich muss die Route und die Stadt schon sehr gut kennen, um ungefähr abschätzen zu können, wann der Bus an meiner Haltestelle angelangt ist. Was natürlich längst nicht heißt, dass er auch wirklich kommt. Manchmal kommt ewig keiner und dann mehrere hintereinander.
Auf deiner Website habe ich gelesen, dass du gerne Grundschülern Bücher vorliest. Wann kommt dein erstes Kinderbuch heraus?
Das ist nicht geplant, ich verlasse mich da ganz auf die wunderbaren Werke von beispielsweise Paul Maar, Astrid Lindgren oder Knister, und Juma Kliebensteins „Der Tag, an dem ich cool wurde“, kommt auch immer gut an.
Das Vorlesen ist einfach ein Hobby: Ich möchte meine eigene Freude am Lesen weitergeben und den Kindern die Lust an Büchern und Geschichten vermitteln. Wir haben viel Spaß dabei und ich bekomme viele selbst gemalte Bilder geschenkt. Sie sind immer begeistert, wenn ich im Klassenzimmer auftauche, das ist schon ein schönes Gefühl. Und nie vergessen werde ich den Schüler, der mich vor den Sommerferien mit bangem Blick fragte, ob ich denn auch nach den Ferien weiter bei ihnen vorlesen würde. Ich bejahte, und seinen aus tiefstem Herzen erleichterten Seufzer habe ich noch heute im Ohr!
Schreibst du schon an einem neuen Buch?
Schreiben noch nicht, schließlich bin ich gerade erst mit „Vitamin V“ fertig geworden, noch bin ich innerlich nicht frei für das nächste. Außerdem steht jetzt die Vermarktung an und ich rechne damit, dass ich dafür viel Zeit aufwenden muss. Dennoch habe ich schon eine richtig gute Idee und arbeite am Plot für ein weiteres Buch.
Vielleicht können mir die Leser*innen deines Blogs sogar ein bisschen helfen: Ich sammele Alltagssituationen, wo man sich über Rücksichtslosigkeiten anderer Menschen ärgert. Beispielsweise über Leute, die mit 60 durch die 30er-Zone brausen, oder andere, die mit ihrer lauten Musik den ganzen Park beschallen. Worüber ärgert ihr euch?
Was möchtest Du den Leser*innen sonst noch erzählen?
Das ist mein erstes Buch und es war eine spannende Erfahrung, die mir viel Freude gemacht hat – Schreiben kann sich verdammt gut anfühlen! Ich kann Personen erschaffen oder verschwinden lassen und kann bestimmen, was ihnen widerfährt. Am beeindruckendsten waren die Momente, wo meine Figuren selbst die Führung übernommen haben, ich habe gar nicht mehr groß nachgedacht, musste eigentlich nur mitschreiben. Das zu erleben war schon ziemlich cool, ich hätte nie gedacht, dass es so etwas gibt.
Und ganz nebenbei habe ich viele interessante Sachen recherchiert. Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass es im Internet Dämmerungsrechner gibt, wo man für jeden Ort und jedes Datum herausfinden kann, wann die Sonne untergeht, wann die blaue Stunde ist und wann es wirklich dunkel wird. Warum die Vierlande vor den Toren Hamburgs so heißen. Dass die jungen Beatles in Hamburg buchstäblich die Sau rausgelassen haben, und was beim heimischen Böllerbau zu beachten ist. Weil ich das einfach interessant finde, stelle ich (unter anderem) meine Rechercheergebnisse auf meinem Blog zum Buch vor: Link unter diesem Beitrag
Vielen Dank für das Interview, Katja Heimann. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg mit dem Schreiben.
Auf die Autorin bezogene Werbung:
Leseprobe zu „Vitamin V wie Wohnung“ https://www.katja-heimann.de/wp-content/uploads/VitaminV-Leseprobe_Website.pdf
Homepage der Autorin: https://www.katja-heimann.de
Rechercheergebnisse: https://www.katja-heimann.de/category/buch/fakten-fakten-fakten