Heute habe ich einen Autor zu Gast, der sich auf Psycho-Thriller spezialisiert hat.
Guten Tag Christian Kraus.
Im August letzten Jahres ist dein neuer Thriller „Töte was du liebst“ herausgekommen. In ihm wird die Handlung aus Sicht des Täters erzählt. Eine interessante und ungewöhnliche Idee. Willst du damit Sympathie für den Täter erwecken?
Sympathie geht mir zu weit. Aber ich lasse den Täter in einigen Szenen selbst zu Wort kommen. Er wendet sich direkt an den bzw. die Leser*in und möchte seine Geschichte erzählen und sich und sein Handeln erklären. Das ist vielleicht ein Markenzeichen meiner Krimis und eine Verbindung zu meinem eigentlichen Beruf: mein Interesse dafür, welche Erfahrungen und Erlebnisse Menschen zu dem geformt haben, was sie geworden sind. Und wie sie sich – im besten Fall positiv – weiter entwickeln können.
Dein Debüt war der Psycho-Thriller „Der Seele dunkel Seite“. Das klingt ja recht düster. Um was geht es in diesem Thriller?
Es geht um einen Gerichtspsychiater, der ins Visier eines psychopathischen Killers gerät. Neben dem Psychiater und dessen Schwierigkeiten, im Leben zurecht zu kommen, nimmt auch in „Der Seele dunkle Seite“ der Täter, dessen Geschichte und Motivation einen breiten Raum ein. Ich breche gerne mit dem Klischee des „nur Guten“ oder „nur Bösen“. Mit der Figur des Rafael in „Töte, was du liebst“ treibe ich das weiter auf die Spitze.
Du bist ausgebildeter forensischer Psychiater und Psychoanalytiker. Deine Psycho-Thriller dürften also ziemlich realitätsnah sein, oder seh ich das falsch?
Ich bleibe bei der Ausgestaltung der Figuren, insbesondere der Täter und deren psychologischer Hintergründe und psychisch auffälliger Verhaltens- und Erlebensweisen nahe an der Wirklichkeit. Manches kombiniere ich dann aber auf eine Weise oder überspitze es, dass es schon an den Grenzen dessen rüttelt, was ich mir real vorstellen kann. Im Nachwort von „Töte, was du liebst“ habe ich diesen Übergang von sozusagen psychiatrischer Wirklichkeit und Fiktion noch weiter ausgeführt.
Wäre es nicht naheliegend, zur Entspannung etwas ganz anderes, beispielsweise Science-Fiction, zu schreiben?
Meine Tochter drängelt seit Längerem, dass ich ein Kinder- oder Jugendbuch schreiben soll. Das läge mir tatsächlich näher als Science-Fiction. In „Töte, was du liebst“ gibt es eine Reihe von Szenen, die in Luises Kindheit spielen. Das Schreiben dieser Szenen, das Eintauchen ins Erleben eines jungen Mädchens mit ihrer ganz eigenen Weltsicht und ihren speziellen Dramen hat mir ausgesprochen viel Spaß gemacht. Aber die Idee eines Jugendromans muss noch weiter reifen. Vorerst konzentriere ich mich aufs Thrillerschreiben. Ich lese selbst am liebsten Spannungsliteratur und in diesem Genre kenne ich mich am besten aus.
Hast du ein literarisches Vorbild?
Stephen King. Klingt abgedroschen, ist aber trotzdem wahr. „ES“ war eines der ersten Erwachsenenbücher, die ich gelesen habe, im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren. Ich habe es inzwischen drei weitere Male gelesen, ebenso wie die meisten anderen King Bücher. Neben den irren Geschichten gefällt mir sein ganz besonderer, „lässiger“ Schreibstil, der mich immer wieder packt. Und man spürt, dass ihm seine Romanfiguren wirklich am Herzen liegen. Ein weiteres Vorbild ist der amerikanische Psychiater und Psychoanalytiker Irvin D. Yalom, der in seinen Romanen (mein absoluter Buchtipp: Die rote Couch) eine wunderbar (selbst)ironische, aber gleichsam höchst liebevolle Sichtweise auf den Beruf des Psychoanalytikers pflegt.
Was liest du denn selber gerne?
Förmlich inhaliert habe ich den George R.R. Martin Epos „Das Lied von Eis und Feuer“. Ich hatte mir vor 6 Jahren im Skiurlaub das Knie verletzt und konnte nicht auf die Piste. Eigentlich schlimm für einen Bewegungsmenschen wie mich. Das hat mich aber kaum gestört, weil ich stattdessen „Das Erbe von Winterfell“ verschlungen habe. Von der Plastizität des Erzählens, der Vielschichtigkeit der Charaktere und natürlich des Hammerplots ist Martin für mich (und wohl viele Millionen weiterer Leser) unerreicht.
Hast du noch andere Hobbys?
Ich treibe gerne und viel Sport, vor allem Laufen, da kann ich am besten meinen Gedanken freien Lauf lassen. So manche Romanidee ist quasi beiläufig beim Joggen entstanden. Ich liebe Spieleabende mit der Familie oder Freunden, tanze gerne und habe vor 2 ½ Jahren, zeitgleich mit meiner Tochter, mit dem Klavierspielen begonnen und mir damit einen alten Traum erfüllt.
Schreibst du schon an einem neuen Buch?
Der nächste Psychothriller, „Nichts wird dir bleiben“, ist bereits fertig und kommt im August dieses Jahres heraus. Darin geht es um einen Psychoanalytiker, der sich und seine Familie vor dem Anführer einer gefährlichen Psychosekte beschützen muss. Aktuell schreibe ich also am übernächsten, bin damit aber noch am Anfang.
Was möchtest du den Leser*innen sonst noch erzählen?
Ich möchte mich vor allem bedanken. Fürs Lesen, fürs Sich-drauf-Einlassen, fürs Weiterempfehlen, Rezensieren und Kommentieren. Romanschreiben ist eine eher einsame Angelegenheit. Und wie wohl die meisten Autoren, freue ich mich, auf Bücherplattformen, in Blogs oder den Sozialen Medien zu hören, wie es meinen Leser*innen mit den Romanfiguren und deren Erlebnissen ergangen ist.
Vielen Dank für das Interview, Christian Kraus. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Büchern.
Ebenfalls vielen Dank!