Heute habe ich wieder eine recht vielseitige Autorin zum Interview zu Gast. Anna Avital Müller schreibt Kinderbücher, Lyrik und ihr neuestes Projekt ist ein Psycho-Thriller.
Guten Tag Anna Avital Müller.
Guten Tag Ann-Bettina.
Dein Kinderbuch »Jonah & der kleine, traurige Esel Asinello« hat ja ein ganz aktuelles Thema – Ausgrenzung und Freundschaft. Die Idee dazu ist dir in Sardinien gekommen? Wieso? Weil es da viele Esel gibt? 🙂
Das Thema von Ausgrenzung und Freundschaft habe ich schon im Kindesalter stark miterlebt. In unserer Klasse gab es Kinder aus Polen, Marokko und der Türkei. Die wohnten alle in einem Haus und waren untereinander befreundet, aber in den Kreis der deutschen Kinder kamen sie nie ganz rein. Klar, hat man mal zusammen auf dem Schulhof gespielt, aber es gab keine Treffen oder Verabredungen nach der Schule. Aber nicht nur Migranten-Kinder, auch Kinder, die vielleicht in der Schule nicht so gut mitkamen oder aus einem „schlechteren“ Elternhaus kamen, wurden sehr schnell von dem Rest der Klasse ausgegrenzt. Kinder können leider bei so etwas besonders grausam sein. Ich habe mich immer wieder dabei beobachtet, wie ich mich für „Schwächere“ eingesetzt und mit ihnen mitgefühlt habe. Das ist auch im Erwachsenenalter so geblieben.
Dass ich dieses Thema in einem Buch irgendwann wieder auffangen würde, hätte ich nicht erwartet. Auf der Farm, auf der ich gelebt habe, hatte ich 16 Esel zu versorgen. Einer davon sah tatsächlich anders aus, als alle anderen. Er hatte ein schwarzes Maul und seine Augen wirkten, als würde er immerzu weinen. Ab dem ersten Tag habe ich ihn in mein Herz geschlossen, weil er mir so leidtat. Daraus ist die Geschichte des kleinen, traurigen Schwarzmaulesels „Asinello triste“ entstanden. In der Realität hat der Esel während der drei Monate, die ich dort gewohnt habe, extrem zugenommen, da er eine besondere Behandlung von mir bekommen hat. Also habe ich tatsächlich auch schon wieder angefangen, jemanden auszugrenzen. Nämlich die Esel mit den weißen Mäulern …
Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du noch zwei weitere Kinderbücher geschrieben hast. Um was geht es in denen?
Diese beiden sind Kinder-Detektivgeschichten mit den immer zwei gleichen Hauptfiguren. Da ich diese noch nicht verlegt habe und noch einen Verlag suche, kann ich die Titel noch nicht verraten. Letzten Endes werden alle Figuren in den Büchern von Tieren dargestellt, die aber alle durch und durch menschliche Züge haben. Der erste Teil der Detektivreihe spielt auf einem Landgut im Norden Englands und es geht um die Entführung eines kleinen Kükens. Der zweite Teil der Reihe spielt im wunderschönen Venedig, wo reihenweise Vögel vom Himmel fallen und ihre Stimmen verlieren. Mein großer Meisterdetektiv löst die Fälle mit seinem genialen Spürsinn und ist dabei immer schneller, als alle seine Mitspieler und sein etwas trotteliger, aber liebenswerter und absolut loyaler Assistent.
Diese Kinderbücher sind offensichtlich nicht im GS Publishing Verlag erschienen. Wo bekommt man die?
Das stimmt. Die Bücher haben nicht in das Konzept von GS Publishing gepasst. Deshalb bin da noch auf der Suche. Wenn also ein Verlag Interesse hat, dann soll er sich gerne bei mir melden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich die Frage noch nicht beantworten.
Mit deinen Lyrik-Projekten warst du sehr erfolgreich. Du hast dafür mehrere Auszeichnungen bekommen. Warum dann der Schwenk zu Kinderbüchern und Psycho-Thrillern?
Das Kinderbuch „Jonah & der kleine, traurige Esel Asinello“ ist das erste Buch, das ich überhaupt geschrieben habe. Das war im Jahre 2012 und eigentlich auch nur als besonderes Geschenk zur Geburt meines Neffen und Patenkindes Jonah gedacht. Dass dieses so viel Anklang und Begeisterung finden und sogar publiziert werden würde, hätte ich nicht erwartet. Und auch nicht, dass ich innerhalb nur einer Woche ein Buch schreiben kann. Das hat mich sehr überrascht. Zu diesem Zeitpunkt habe ich auch das erste Mal registriert, wie viele Geschichten in meinem Kopf schlummern. Deshalb habe ich gleich zwei weitere Kinderbücher geschrieben. Erst Ende letzten Jahres (2014) habe ich es mal mit einem Gedicht probiert und bei einem Wettbewerb teilgenommen. Das war eigentlich auch nur aus Spaß. Das Gedicht „Monolog – Dialog“ wurde tatsächlich mit in die Reihe aufgenommen. Im Februar dieses Jahres habe ich schließlich beschlossen, einen Blog zu veröffentlichen, auf dem ich Gedichte und Kurzgeschichten publiziere. Zunächst habe ich das täglich gemacht, nun nur noch dreimal wöchentlich. Es wird sonst einfach zu viel mit Vollzeitjob, dem Blog und dem Buch, das ich nebenbei noch schreibe, bzw. geschrieben habe, denn dieses ist nun fertig. Dass ich nun einen Psycho-Thriller geschrieben habe, liegt wohl daran, dass es mich schon immer gereizt hat. Ich laufe häufig durch die Welt, beobachte Menschen und denke mir irgendwelche Geschichten zu diesen aus. Manchmal langweile ich mich, wenn ich ein Buch lese oder einen Film sehe und schon relativ früh am Anfang weiß, wie es weitergeht oder gar wie das Ende sein wird. Deshalb möchte ich etwas schreiben, was den Leser verblüfft, womit er nicht gerechnet hat. Ich finde, Sebastian Fitzek macht dies ganz wunderbar. Allerdings möchte ich mich natürlich nicht auf eine Stufe mit ihm stellen. Dennoch möchte ich mich nicht auf ein Genre festlegen. Kinderbücher zu schreiben macht wahnsinnig viel Spaß, da ich dort in die unendliche Phantasie eines Kindes eintauchen kann. Aber vielleicht schreibe ich auch irgendwann mal einen Roman.
Dein Psycho-Thriller ist noch nicht erschienen. Kannst du trotzdem schon etwas dazu erzählen?
„DU BIST SCHULD“ handelt von einer verzweifelten Frau, die 15 Jahre lang für eine sehr große Liebe gelebt und gekämpft hat. Die Beziehung zu diesem Mann wird in Rückblenden zwischen der Gegenwart und verschiedenen Episoden aus den letzten Jahren dargestellt. Bestimmt wurde diese Liebe durch eine extreme Abhängigkeit, bei der sie sich selbst vollkommen verloren hat. Nach 15 Jahren Leidensweg schafft sie es schließlich, sich daraus zu befreien. In einem Moment der totalen Emanzipation wird ihr eine Postkarte überreicht mit drei Worten, die sie in ein noch düstereres Gefängnis werfen sollen: DU BIST SCHULD!. Am nächsten Tag wacht sie in der geschlossenen Psychiatrie auf und befindet sich im Alptraum ihres Lebens. Dort erlebt sie immer wieder Dinge, die sie glauben lassen, sie hätte ihren Verstand verloren. Sie versucht mit der neuen Realität klarzukommen, doch kann irgendwann nicht mehr Schein und Sein auseinanderhalten, bis es schließlich zu einem tragischen Ende kommt, mit dem der Leser nicht rechnen konnte.
Weißt du schon, wann er erscheinen wird?
Nein, noch nicht. Ich habe ihn vor einer Woche fertig geschrieben. Nun geht es an die Suche nach einem geeigneten Verlag.
Du bist anscheinend schon viel herumgekommen. Freiwillig? Brauchst du ständig Abwechslung?
Ja, alles, was ich je getan habe, habe ich aus freien Stücken getan. Ich wollte schon als junges Mädchen die Welt entdecken. Ich liebe es, andere Kulturen und Menschen kennenzulernen und nicht nur hinter der Fassade des Touristen-Daseins zu verharren. Mich interessiert, wie die Menschen leben, wie sie mit den Möglichkeiten, die ihnen gegeben wurden, ihr Leben meistern. Ich bin mit Sicherheit ein Mensch, der viel Abwechslung braucht. Es ist spannend und bereichernd. Dennoch habe ich auch immer gewisse feste Anker in meinem Leben und immer wieder mal Ruhephasen. Aber ab und zu Orte zu wechseln, mich in neue Jobs einzuarbeiten, von denen ich eigentlich gar keine Ahnung habe, unbekannte Menschen in mein Leben zu lassen, hat mich bisher immer nur bereichert. Und dennoch bin ich ein Mensch, der absolut gerne für sich alleine ist und das auch braucht. Es ist tatsächlich diese Mischung, die wichtig ist. Für mich gibt es nichts Schlimmeres als Langeweile, aber das Schöne ist, dass ich mich im Prinzip nie langweile.
Neben dem Schreiben gehst du noch einem Brotjob nach. Ganztags?
Ja, das stimmt. Natürlich ist es ein großer Traum, von dem Schreiben leben zu können, aber solange das nicht so ist, muss man ja irgendwie sein Leben finanzieren.
Wann kommst du zum Schreiben? Hast du feste Zeiten oder schreibst du eher, wenn gerade mal Zeit ist?
Ich schreibe nur, wenn mein Kopf und mein Herz sagen, dass ich jetzt schreiben sollte. Das ist leider immer zu verschiedenen Zeiten und häufig auch unpassend. Deshalb ist für mich eine gewisse Flexibilität im „wahren Berufsleben“ auch wichtig.
Arbeitest du schon an einem neuen Projekt?
Ja, es gibt eine Fortsetzung meines soeben geschriebenen Psycho-Thrillers. Die Geschichte ist mir abends im Bett eingefallen und lebt schon in mir. Allerdings muss ich mich nun erst einmal um die Vermarktung des gerade geschriebenen „DU BIST SCHULD“ kümmern.
Was möchtest du uns sonst noch erzählen?
Ich begegne so vielen interessanten Menschen, die Geschichten im Kopf haben, aber sich nicht zutrauen, diese aufzuschreiben. Ich wünschte mir, dass sich jeder traut, zu schreiben. Und sei es nur für sich selbst. Die Phantasie ist, so glaube ich, mit das Größte, was wir besitzen. Und es gibt nichts Spannenderes und Belebenderes, als selbst eine Geschichte zu kreieren. Man geht so vielen Dingen im Alltag nach, die man machen muss, die aber nicht einem Selbst gehören. Doch die Geschichten, die aus unserem Innersten kommen, sind unsere Geschichten. Sie gehören nur uns und niemand kann sie bestimmen. Wir können alles mit ihnen machen. Ich wünschte mir, dass mehr Menschen diese wunderbare Erfahrung von Freiheit und Glück machen könnten, auch wenn es nur in ihrem Inneren ist.
Vielen Dank für das Interview, Anna Avital Müller. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.
Ich danke Dir für die Möglichkeit, hier etwas sagen zu dürfen und wünsche Dir ebenfalls alles Beste. Falls jemand Lust hat, schaut doch einfach mal bei mir vorbei: annaavital.wordpress.com