Interview mit dem Autor Erik D. Schulz

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 Foto Christine Blohmann, Die Hoffotografen, 2016

Nach einem rein weiblichen Monat Mai habe ich heute zur Abwechslung wieder einen Autor zum Interview zu Gast. Aufmerksam wurde ich auf Erik D. Schulz durch sein Buch „Frühaussteiger“, dessen Rezension ihr hier lesen könnt.

Guten Tag Erik D. Schulz.

In „Frühaussteiger“ geht es um Mobbing in der Schule. Ein Thema, das heute ja leider kein Randphänomen ist. In deinem Buch sind die Mechanismen sehr gut beschrieben. Wie recherchiert man so etwas?

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In meiner Praxis bin ich fast täglich mit Mobbing und dessen schwerwiegenden, besonders den psychischen Auswirkungen konfrontiert, wobei sich das Problem durch wirklich alle Berufsgruppen zieht: Sekretärinnen, Bauarbeiter, Akademiker und eben Schüler.
Eines Tages führte ich eine Einstellungsuntersuchung bei einem 15-jährigen Gymnasiasten (Klasse 9!) durch, der in der Schule gemobbt wurde. Familiäre Probleme kamen hinzu. Er hatte den Berufswunsch Koch. Dadurch wurde ich zu dieser Story inspiriert. Ich fand es absolut bemerkenswert, wie ein intelligenter junger Mensch aus dem hiesigen Schulsystem einfach aussteigen wollte. Das war mir eine Story wert, deren Gerüst ich an einem Tag entwarf. Dann folgte die Recherche: Literatur zum Thema, Interviews mit Betroffenen. Bei der authentischen Darstellung des Schulalltags half mir mein Sohn, der gerade 16 geworden ist.
Ich suchte nach einer neuen Form, um unterhaltsam Zugang zum Thema zu finden und damit möglichst viele Leute zu erreichen. Ohne Lesespaß, Humor und eine Liebesgeschichte wäre das Ganze ja auch nicht zu ertragen.
Übrigens: Ich selber musste zwar nie direktes Mobbing erleben, aber während meiner Assistenzarztzeit liefen Ausgrenzung und Isolation subtil ab und haben mich beeinträchtigt. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das schon Mobbing war. Das beschreibt gut die Unsicherheit, in die Betroffene geraten können.

Dein zweiter Jugendroman „Crystal – zu den Sternen fliegen“ handelt von den Gefahren, sehr schnell von Drogen abhängig zu werden. Da hat dir sicher deine Erfahrung als Arzt geholfen. Hat sie auch den Anstoß zum Schreiben über das Thema gegeben?

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Ja, die Erfahrungen haben sicher geholfen, wobei Alkoholismus einsam an der ersten Stelle liegt. Es ist oft so verdammt traurig, wie Menschen sich selbst zerstören. Ich hatte aber auch schon Kokain-Abhängige, die mit Anfang 30 einen Herzinfarkt bekommen hatten. Den Anstoß, über das Thema Sucht zu schreiben, gaben aber letztlich die Serie „Breaking Bad“ und Filme wie „Traffic“. Zum anderen habe ich einen jugendlichen Sohn, bei dem ich die Gefahren und Verlockungen aus Nahdistanz miterlebe. Was mich betrifft, kenne ich zwar keine stofflichen Süchte, kann mich jedoch sehr gut in Suchtverhalten hineinversetzen und mir gut vorstellen, wie man z.B. spiel- oder tradingsüchtig wird. Da hilft dann nur eins: Stecker ziehen und aufhören, sonst kommt der Pleitegeier oder man landet sogar in der Gosse. Überhaupt, bei jeder Sucht liegt es an dir – Eigeninitiative, Angebote annehmen und der unbedingte Wille, es schaffen zu wollen.

Deine Jugendromane bietest du als Mängelexemplar für Schulklassen verbilligt an. Eine tolle Idee. Wie ist die Resonanz?

Bisher gab es noch keine Resonanz, aber die Bücher sind ja auch gerade erschienen und müssen sich erst einmal herumsprechen, bevor sie jemand den Lehrern als Vorschlag auf den Tisch legt. Es wäre toll, wenn das passieren würde.

Du bietest deine Bücher auch als eBooks an. Das machen heute ja die meisten Autoren. Welche Erfahrungen hast du mit eBook-Piraterie gemacht?

Damit habe ich noch keine Erfahrungen gemacht, zumindest merke ich nichts davon. In gewissen Grenzen wäre mir das auch egal. Paulo Coelho sagte mal, dass jedes gekaufte Buch von mindestens drei Menschen gelesen wird. Wenn nun die beiden Freunde des Schwarzlesers ihre Begeisterung wiederum mit ihren Freunden teilen, wird es bestimmt genug geben, die ehrlich Bücher kaufen.

Erik D. Schulz ist ein Pseudonym, genauso wie Erik J. Roberts, unter dem du schon früher zwei Romane veröffentlicht hast. Dass du als praktizierender Allgemeinmediziner lieber unter Pseudonym schreibst, verstehe ich ja. Aber warum der Wechsel?

Das alte Pseudonym Erik J. Roberts stand auf der Liste der Dinge, die nicht funktioniert haben. Konsequenz: Streichen! Erik D. Schulz klingt besser, ist verdammt nahe an meinem richtigen Namen dran und eine kleine Hommage an Quentin Tarantino.

„Krügers Bericht“ ist einer der Romane, die du als Erik J. Roberts veröffentlicht hast. Um was geht es in diesem Roman?

Um Hornissennester … oder um die Liebe zwischen einem Arzt und einer Fünfzehnjährigen. Mich haben immer Bücher wie Nabokovs „Lolita“ oder Marguerite Duras’ „Der Liebhaber“ fasziniert, auch deren Erfolg. Deshalb wollte ich unbedingt selber eine vergleichbare klassische Tragödie erfinden und mit Kontroverse provozieren. Cool, wenn man eines seiner Lieblingsbücher dann selbst geschrieben hat. Auch wenn ich zugegeben eine viereinhalb Jahre jüngere Frau habe, ist die Story nicht autobiografisch.

Der zweite „alte“ Roman heißt „Im Netz der Deutschlandclique. Erzähl uns doch etwas darüber.

„Deutschlandclique“, mein Debüt, ist ein Politthriller über einen Korruptions- und Politskandal während der zweiten Großen Depression im Jahre 2016, also eine Dystopie. Ein Arzt sieht sich mit dem mysteriösen Tod eines seiner Patienten konfrontiert und gerät ins Visier von Verbrechern aus Wirtschaft und Politik. Das Innenministerium treibt die Installation eines ausgeklügelten geheimen Überwachungssystems über eine
dubiose Computerfirma voran. Vorbei an der öffentlichen Debatte und damit am kritischen Volk wird über dunkle Kanäle der Überwachungsstaat perfektioniert …
Von 2004 an beschäftigte ich mich mit wirtschaftlichen Zyklen und Krisen sowie der zunehmenden weltweiten Überwachung. Fußend auf Szenarien wie sie in Robert Prechters Buch „Besiege den Crash“ dargestellt werden, entwarf ich die Geschichte zu diesem Roman (Jahre vor der Krise 2008). „Deutschlandclique“ ist inzwischen überholt (auch stilistisch-handwerklich), die Themen Krise und Überwachung leider längst noch nicht.

Du hast einen außergewöhnlichen Lebenslauf: erst Facharbeiter für Nachrichtentechnik, dann Pfleger in der Chirurgie und Kinderrehabilitation, anschließend Medizinstudium, schließlich niedergelassener Arzt und Autor. Suchst du ständig neue Herausforderungen?

Als Spätzünder dümpelte ich mit durchschnittlichen Leistungen zunächst als Nachrichtentechniker herum. Dann traten Menschen in mein Leben, die ich in einer Story Mentor nennen würde: ein Freund, eine Freundin – übrigens eine Musikstudentin, die sicher die Inspiration zur Figur Anni aus „Crystal“ gab. Sie waren die Initialzündung, um aus meinem Leben etwas zu machen. Ich holte mein Abi nach, arbeitete als Pfleger und studierte schließlich. Irgendwann fand ich Gefallen am Schreiben.
Das sieht alles wilder aus, als es sich tatsächlich anfühlt.

Schreibst du schon an einem neuen Buch?

JA! Mein bisheriges Hauptwerk, eine postnukleare Dystopie, indem wie immer mein ganzes Herzblut steckt: Ein Arzt und seine Tochter überleben einen verheerenden Atomkrieg in einem Felsmassiv in der Schweiz. Ein soziopathischer Killer und Katastrophen zwingen sie zur Flucht in die zerstörte Welt des nuklearen Winters, die sie bis nach Afrika führt … Ein richtiges Epos, eine Parabel auf das Leben und superspannend.
Die Rohfassung ist in ein paar Wochen fertig, wird ein richtiger 450-Seiten-Wälzer.

Was möchtest du den Leser*innen sonst noch erzählen?

Es würde mich sehr freuen, wenn beim Lesen meiner Büchern die Freude überspringt, die ich beim Schreiben hatte, dazu noch eine Portion Optimismus, mit der sich an die eigenen Stärken glauben lässt. Würzt das Ganze noch mit einer Prise Gelassenheit und reichlich Humor, dann packen wir auch die schwierigen Dinge im Leben an.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.

DANKE! Und ich wünsche allen hier Freude beim Lesen guter Literatur und deines tollen Blogs!