Rezension: „Hotline fuer besorgte Buerger“ von Ali Can

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Titel: Hotline für besorgte Bürger – Antworten vom Asylbewerber Ihres Vertrauens
Autor: Ali Can
Sachbuch, TB, 268 Seiten, auch als eBook erhältlich

Der Autor: Ali Can kam 1995 mit seiner Familie als Asylsuchender aus Syrien nach Deutschland. Mittlerweile hat er sein Lehramtsstudium für Deutsch und Ethik an der Universität Gießen abgeschlossen. Seit mehreren Jahren veranstaltet er Workshops zu dem Umgang mit kultureller Vielfalt. Außerdem engagiert er sich bei mehreren Hilfsorganisationen. Allgemein bekannt wurde er durch seine „Hotline für besorgte Bürger“.

Das Buch: Der Kampf „Gutmenschen“ gegen „Rassisten“ bestimmt zurzeit die Medienlandschaft. Mit diesem Buch will Ali Can zeigen, dass ein Dialog mit Andersdenkenden möglich ist.

Ich habe mir dieses Buch aus Neugier gekauft. Im Gegensatz zum Autor glaube ich nicht, dass es Sinn macht, mit Rassisten zu reden. Daher wollte ich sehen, wie dieses Experiment aussieht und was dabei heraus gekommen ist.

Der größte Teil des Buches besteht aus der Wiedergabe verschiedener Gespräche, die Ali Can mit Anrufern geführt hat. Umrahmt wird dieser Teil von einem Prolog, der die Motivation des Autors darstellt, und einem Epilog, in dem Ali Can über wertschätzende Kommunikation schreibt.

Erst einmal muss ich festhalten, dass ich Ali Can für seine Geduld und Leidensfähigkeit bewundere. Ich habe die Dialoge ja nur gelesen und konnte jederzeit eine Pause einlegen. Trotzdem haben sie mich extrem wütend gemacht und mir Übelkeit verursacht. Mit diesen Leuten am Telefon zu reden, würde mich eindeutig überfordern.

Auch wenn der Autor dies im Klappentext des Buches anders darstellt: Meiner Meinung nach zeigen die Gespräche, wie sinnlos sie im Endeffekt sind. Zwar ist der Ton – wenn er nicht nachträglich geschönt wurde – wesentlich ziviler als auf Pegida- oder AfD-Demonstrationen oder in sozialen Netzwerken. Das war aber auch zu erwarten. Wer diese Hotline anruft, redet als Einzelner mit Ali Can und kann sich nicht in einer Nazi-Horde verstecken, in der auch das letzte Würstchen sich noch groß und stark fühlt. Es ist auch keine so anonyme Kommunikation wie in den Netzwerken, schließlich redet man direkt miteinander. Aber auch wenn die Unterhaltung erst einmal ganz gut läuft, am Ende bleibt es doch wieder bei den ursprünglichen Vorurteilen und der Ablehnung. Dabei rufen bestimmt nur Leute bei der Hotline an, die nicht ganz so fanatisch sind.

Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und lässt sich – vom Inhalt einmal abgesehen – gut lesen. Recht witzig ist der „Integrationstest“ im letzten Teil des Buches. Nachdenklich und wütend macht dagegen der Abschnitt über die Intensivklassen an deutschen Schulen. (Das sind die Klassen, in denen die Kinder und Jugendlichen Deutsch lernen und in das Schulsystem integriert werden sollen.) Sicher läuft es nicht immer so katastrophal, aber ich finde schon die Idee, dass dies so funktionieren könnte, absurd.

Ich kann zusammenfassend dieses Buch nur Leser*innen empfehlen, die über eine nicht unerhebliche Frustrationstoleranz verfügen.