Interview mit dem Autor C. Harry Kahn

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Heute habe ich einen Autor zu Gast, der Krimis und Science-fiction schreibt – für Erwachsene und für Jugendliche.

Guten Tag C. Harry Kahn.

Eine Abkürzung vor dem Vornamen ist doch eher ungewöhnlich. Für was steht das C.?

Interessante Frage, Ann-Bettina. Das C. steht für sich alleine und erscheint nicht in meinem Pass. Bei Google findest du Harry Kahns wie Sand am – vielleicht nicht am Meer, aber bestimmt wie am Kinderspielplatz. Doch mit dem C. gibt es außer mir nur noch einen. Werbeleute nennen das ein Alleinstellungsmerkmal. Jener zweite C. Harry Kahn verfasst dröge Bücher über Wirtschafts- und Steuerfragen auf Amerikanisch. Wer will den schon lesen?

Vorigen Monat ist die Neuauflage deines Krimis „Neapel sehen und sterben“ herausgekommen. Ein kleiner weißer Hund spielt dabei eine wichtige Rolle. Warum muss er sich mit der Mafia und den Müllbergen in Neapel auseinandersetzen?

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Harry (er heißt nur zufällig so wie ich) hat mit Müll und Mafia überhaupt nichts am Hut. Er ist nur dabei, weil sich daheim niemand um ihn kümmern kann. John Watson muss überstürzt nach Neapel reisen, um das Filmprojekt eines Freundes zu retten. Also nimmt er Harry mit, und wenn Watson am Filmset arbeitet, kümmert sich eine Studentin namens Gelsomina um Harry. Auch Watson ist übrigens nicht im Mindesten an Müll oder Mafia, sprich Camorra, interessiert. Jedoch, wie das Leben so spielt, geraten die Beiden ins Visier der schwarzen Mächte, und so wird ausgerechnet dieser kleine Hund erst der glänzende und dann der tragische Held der Geschichte.

Mittlerweile gibt es schon drei Krimis mit dem kleinen Terrier Harry. Wie bist du auf die Idee gekommen, Hundekrimis zu schreiben?

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Ach, das ist auch so ‘ne Geschichte: Für mein erstes Buch, Marco (siehe unten) hatte ich gerade die sechzehnte oder auch zweiundzwanzigste Absage bekommen. Ich überlegte, ob ich mich bei Macdonalds als Boulettenbrater bewerben sollte. Meine Frau meinte jedoch, ich sollte erst mal was anderes schreiben. Wir hätten doch schon so viel Erzählenswertes erlebt. – Richtig, aber wen interessiert das?
Mein Freund David arbeitete damals, wie im ersten Harry-Buch beschrieben, beim Tierschutzverein. Er trug in seiner Brieftasche ein Foto des real existierenden Harry mit sich herum, indes keines von seiner Frau oder seinen Töchtern. Die beklagten das nur halb im Scherz. Und ich hatte dazu eine kleine Satire geschrieben, knapp drei Seiten, zu Davids Geburtstag.
Dieser Text kam mir zufällig auf den Bildschirm, und ich fing an, die Geschichte weiterzuspinnen. So wurden aus drei Seiten vier Bücher. Der ironische Ton blieb, besonders, wenn Figuren auftauchen, die sich besonders wichtig nehmen. Und wer es getan hat, ist recht unerheblich. Das macht die Harry-Krimis verschieden vom Mainstream.

Demnächst wird dein neuer Krimi „Wenn bei Capri …“ herauskommen. Um was geht es in dieser Geschichte?

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Gerade habe ich Print- und E-Book bei Amazon hochgeladen. Worum es da geht? Wieder um Sally Potter und John Watson (der übrigens behauptet, ein Nachfahr von Sherlock Holmes’ Dr. Watson zu sein). Die beiden Starfotografen sollen Bilder für einen aufwendigen Tourismus-Prospekt liefern. Aus einem Luxus-Arbeitsurlaub wird wieder einmal ein Horrortrip. Sie sind zur falschen Zeit am falschen Ort. Und wieder geraten sie ins Netzwerk von organisierter Kriminalität, dieses Mal geht es um Camorra hier und IS im Nahen Osten. Und es geht um das Geschäft mit illegaler Kunst aus Raubgrabungen und Museumsdiebstählen im Irak ebenso wie in Italien. Wie immer weiß der Leser, wer es gewesen ist, DNS-Analysen und Fingerabdrücke spielen keine Rolle. Aber die Geschichte ist trotzdem spannend. Leseproben gibt es auf meiner Website: http://www.c-harry-kahn.net/Capritext.html

Deine Krimis spielen an unterschiedlichen Orten: Neapel, Capri, Vancouver und Berlin. Kennst du diese Städte alle aus eigener Anschauung oder findest du sie nur interessant?

Ich habe an all diesen Orten einige Jahre oder länger gelebt. Schauplätze für meine Geschichten könnten auch Kabul sein, Karachi, Kuala Lumpur oder noch einige andere. Ich kann nur beschreiben, was ich kenne; deshalb benutze ich gerne die Ich-Form. Natürlich erlebe ich nicht alles, was meine Figuren erleben, aber beim Schreiben bin ich mit ihnen am selben Ort und sehe und höre ihnen zu. Der britische Sender BBC hat den Slogan: “We don’t report news, we live them”. So geht es mir auch, und das macht das Erzählte viel authentischer.

Neben Krimis schreibst du auch Science-Fiction. Für Erwachsene: „Unter Wasser stirbt man schneller“. Geht dieser Roman nicht auch in Richtung Krimi?

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Du hast recht, auch hier gibt es Morde, und auch hier gibt es organisierte Kriminalität. Da ist einerseits die irdische Firma EEE, die wie einst die westlichen Mächte ihre Kolonien – hier ist es der Planet Kepler –ausbeuten. Und da ist eine Fünferbande von Keplanern, die nicht nur die Macht über ihren Planeten übernehmen wollen; sie wollen eine Diktatur, ein Imperium aufbauen, das alle besiedelten Planeten der Milchstraße umfasst.
Agent Cody (“mit der Lizenz zu töten” – klingt irgendwie bekannt?) soll das alles richten. – Übrigens, den Planeten Kepler kenne ich nicht aus eigener Erfahrung. So blieb mir nichts übrig als eine Kugel aus Styropor zu besorgen und darauf die Kontinente und Gebirge, die Meere, Flüsse, Städte und Bahnverbindungen zu zeichnen, bis ich mich einigermaßen auskannte. Erst dann habe ich Cody hingeschickt.

Für jugendliche Leser hast mit „Marco und der einäugige Pirat“ den Zeitreisenden Marco erfunden. Erzähl uns doch etwas darüber.

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Piraten haben mich seit meiner Schulzeit interessiert. Damals, lange vor “Fluch der Karibik”, war das ein beliebtes Thema in der Jugendliteratur. Aber die Geschichten wurden immer sehr oberflächlich abgehandelt: Der böse Pirat lässt spanische Schatzschiffe entern, eine liebliche Jungfrau, die gerade nach England oder Spanien reist, gerät als Beifang auf das Piratenschiff und erweicht entweder des Kapitäns Herz oder wird von einem edlen Helden gerettet. “Der rote Korsar” mit Burt Lancaster ist übrigens einer meiner Lieblingsfilme. Hier werden zu der Zeit neue Ideen wie U-Boote oder Ballons eingesetzt.
Also: Erstens wollte ich mehr über die echten Piraten wissen, und zweitens hatte ich da als Hauptfigur einen modernen Gymnasiasten, der mit seinem Allgemeinwissen für die damalige Zeit ein Wunderknabe sein musste. Etwa, dass Hygiene existierte, oder dass Vitamin C, in Form von Zitronensaft, keinen Skorbut aufkommen lässt. Das Schönste ist aber, dass Marco in einer Zeitschrift einen Artikel entdeckte, der über ein gesunkenes Schatzschiff berichtete. Marco hebt den Schatz dreihundert Jahre früher mit seinen Freunden jener Zeit, und in der Zeitschrift wundern sich die modernen Taucher, dass sie es nicht mehr gefunden haben. Dieses Spiel mit heutigem und damaligem Wissen auf mehreren Ebenen ergibt eine spannende, aber auch komplizierte Geschichte. “Marco” ist übrigens vergriffen. Ich werde den Text überarbeiten und demnächst unter dem Titel “Marco auf Piratenjagd” neu herausbringen, als Taschenbuch und als E-Book. Leseproben gibt es hier: http://www.c-harry-kahn.net/j1text.html .

Dein zweites Jugendbuch „Jonas Astronautensohn“ kann ich nicht so richtig einordnen. Ist das Science-Fiction oder Fantasy?

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Im Grunde lassen sich meine Geschichten nirgends richtig einordnen. Meine Krimis sind eigentlich keine, SciFi ist ein halber Krimi, auch die Jugendbücher enthalten Krimi-Elemente.
Jonas ist SciFi, weil der Schauplatz der Mond ist, Fantasy weil es dort Lebensformen gibt, wie sonst nur bei Harry Potter. Und eine Verschwörung sowie eine Art von Detektiv sind auch dabei. Also ein SciFi-Fantasy-Abenteuer-Krimi.

Hast du noch andere Hobby neben dem Schreiben. Oder ist das Schreiben mittlerweile für dich mehr als ein Hobby?

Schreiben ist meine Hauptbeschäftigung, wobei das Niederschreiben eines Textes das Einfachste ist. Viel zeitraubender sind Elemente, die im Buch nicht vorkommen. Recherche, zum Beispiel. Wie schaut es genau auf der Rückseite des Mondes aus, wie ist die Platzverteilung im Berliner Olympiastadion? Selbst wenn eine Szene an Orten spielt, die ich genau kenne, brauche ich oft Hintergrundinformationen: Was es genau mit diesem denkmalgeschützten Gebäude auf sich hat, welche Buslinie durch diese Straße fährt, die Öffnungszeiten eines bestimmten Geschäfts … Und dann die Vermarktung. Auch wenn die Honorare zur Sicherung meines Lebensabends nicht fundamental sind, wenn man schon Bücher schreibt, möchte man auch, dass jemand sie liest.
Zu den Hobbys gehören unter anderen auch das Basteln mit Foto-Software und ein bisschen Programmieren mit VBA. Manchmal macht mir auch Kochen für Gäste Spaß. Und Lesen? – das kann man wohl ebenso wenig zu Hobbys zählen wie Essen und Trinken.

Schreibst du schon an einem neuen Buch?

Wie schon erwähnt werde ich “Marco” überarbeiten und auch etwas kürzen. Seit Jahren liegen Marco 2 und Jonas 2 halb fertig in der Schublade, genauer gesagt in irgendeinem halb vergessenen Verzeichnis im Computer. Vermutlich werde ich mich wieder mit einem davon befassen. Und für Watson und Sally habe ich eine faszinierende Idee, aber bisher keine praktikable Lösung, denn Irre und Serienkiller finden bei mir keine Bleibe.

Was möchtest du den Leser*innen sonst noch erzählen?

Eigentlich habe ich schon mehr aufgeschrieben, als irgendjemand wissen möchte. Aber vielleicht noch Eins: Ich benutze schon lange keine genderspezifischen Formeln mehr. Das kommt mir bei deiner Fragestellung in den Sinn, aber bitte nimm es nicht persönlich, auch ich habe eine Zeit lang diese komischen Regeln akzeptiert. In einer Anrede. “Meine Damen und Herren” oder auch “Liebe Leserinnen und Leser”, ist das richtig und höflich. Aber dass Fußgängerinnen und Fußgänger nur an Zebrastreifinnen und Zebrastreifen die Straße überqueren dürfen, das würde unsere Sprache zur Groteske missgestalten. Also gilt für mich, wie zu meiner Schulzeit, das grammatische Geschlecht. Welche Seite kommt da denn besser weg? Die Sonne, die Welt, die Luft. Oder der Tsunami, der Börsencrash, der Klimawandel?
Und weil wir gerade bei Sprache sind, darf ich zu meinem Sprachgebrauch vielleicht noch aus einem oder zwei Blogs zitieren:
“Eine Geschichte, die von einem Schreibstil getragen wird, den ich so noch nicht gefunden habe.”
“Die Charaktere sind mir in ihrer Einmaligkeit sofort ans Herz gewachsen und der ironische Unterton ist einfach genial.”

Denen, die das alles bis zum Ende gelesen haben, gelten mein Dank und meine Anerkennung. 🙂 Sollte jemand noch mehr wissen wollen, meine Homepage ist jederzeit für alle da: www.c-harry-kahn.net . Tschüs für heute oder in Neapel-Capri-Format: CIAO.

Vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview genommen hast, C. Harry Kahn. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß am Schreiben und Erfolg mit deinen Büchern.

Auf den Autor bezogene Werbung:
Homepage des Autors: www.c-harry-kahn.net
Leseproben: http://www.c-harry-kahn.net/j1text.html

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