Interview mit der Autorin Christine Neumeyer

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Mein heutiger Interview-Gast kommt wieder aus Österreich. Die Chefin der dortigen „Mörderischen Schwestern“ schreibt neben Krimis auch historische Romane.

Guten Tag Christine Neumeyer.

Zur momentanen Jahreszeit passt dein Krimi „Spargelmorde“ ja sehr gut 🙂 Er ist der zweite Band der Marchfeld-Krimireihe. Kannst du den deutschen Leser*innen kurz erklären, wer oder was das Marchfeld ist?

Spargelmorde

Guten Tag, Ann Bettina Schmitz. Ich freue mich sehr, hier zu sein.
Ich bin in Strasshof, einem Ort mitten im Marchfeld aufgewachsen. Meine Welt als Kind war die der weiten Ebenen, Korn-, Mais-, Erbsen- und Spargelfeder. Ich erinnere mich gerne an den Duft des Getreides im Spätsommer: süß und warm. Man kann das Marchfeld als die Kornkammer Österreichs bezeichnen. Den Namen hat die Ebene von dem Fluss March an der östlichen Landesgrenze zur Slowakei. Das Marchfeld eignet sich auch sehr gut zum Radfahren. Das Gebiet leidet jedoch unter starken Winden, extremer Sommerhitze und zunehmender Trockenheit.

Der erste Band dieser Krimireihe „Tatort Strasshof“ erschien schon 2013. Um was geht es in diesem Krimi?

Tatort-strasshof

Die Geschichten beider Marchfeld-Krimis drehen sich um eine junge Polizistin mit psychischen Problemen. Die Mutter ist früh verstorben, der um einiges ältere Vater, ein ehemaliger Gendarm, gebärdet sich recht patriarchalisch und trotzdem ist da eine Liebe zwischen den beiden. Drumherum geschehen Morde, welche die junge Polizistin mithilfe des Teams im Landeskriminalamt aufklären soll. Sie stammt aus dem Ort Strasshof (so wie ich – sie ist aber nicht ich) und hat deshalb ermittlungstechnisch gewisse Vorteile bei den Befragungen der manchmal recht verstockten BewohnerInnen.
Bedauerlicherweise ereigneten sich in Strasshof tatsächlich einige schwere Kriminalverbrechen, welche mich als Autorin zu diesem ersten Krimi inspiriert hatten. „Spargelmorde“ spielt in einem fiktiven Nachbarort und führt das Thema „Beziehungsmord in dörflicher Idylle“ weiter.

Deine erste Veröffentlichung im Jahr 2013 war ein historischer Roman „, „Die Päpstin von Mailand – Die Geschichte der Vilemiten“. Diese Vilemiten waren eine im Mittelalter tatsächlich existierende Sekte. Wie bist du gerade auf dieses Thema gestoßen?

Paepstin-mailand

Oh ja, diese Frau aus böhmischem Königsgeschlecht ist mir sprichwörtlich begegnet. Und zwar in Form eines wissenschaftlichen Werkes einer italienischen Forscherin, das mir zufällig in einem Archiv in die Hände gefallen ist (Luisa Muraro: Vilemina und Mayfreda. Die Geschichte einer feministischen Häresie, Kore Verlag, 1987) Vilemina von Böhmen und ihre Geschichte haben mich – wie die Mailänder damals – derart berührt und gefesselt, dass ich gar nicht anders konnte, als einen Roman darüber zu schreiben. Im Ernst, wer wäre nicht verwundert und neugierig zugleich, würde ihm mitten in Mailand auf offener Straße eine adelige Frau aus Böhmen begegnen (noch dazu schwanger), die sich als die Verkörperung des „Heiligen Geistes“ bezeichnete?

Dein zweiter historischer Roman „Mit der Kraft von Purpur“ erschien 2016. Auch er spielt im Mittelalter und hat etwas mit Religion zu tun. Bist du ein religiöser Mensch oder ist das Zufall?

kraft-von-purpur

Ich bin religiös erzogen worden. Mein Elternhaus war römisch-katholisch nach alter Tradition. Besonders die starre und enge Rolle der Weiblichkeit in dieser Tradition hat mich immer gestört. Das Dienen und das Gehorchen empfand ich bereits im Kindesalter als grundlegend falsch. Denn wozu wäre der Mensch mit einem Verstand ausgestattet, wenn er ihn nicht benützen dürfte? Sowohl Vilemina von Böhmen als auch Caterina von Siena (die beiden Hauptfiguren in meinen historischen Romanen) haben sich in ihrer Zeit ebenso zur christlichen Tradition Gedanken gemacht. Sie haben vieles hinterfragt und versucht, etwas, das in Schieflage geraten war, mit dem Einsatz ihres Lebens zurechtzurücken, ohne dabei die Religion mit ihrem barmherzigen Grundgedanken zu verdammen.
Ich mag das Wort Kampf in diesem Zusammenhang nicht verwenden, ich würde sagen, die Frauen (selbstverständlich auch die Männer) haben sich in den Jahrhunderten entwickelt und entwickeln sich immer weiter. Das selbstständige, humane und freie Denken wird heute vielerorts gefördert. Das mitzuerleben freut mich. Religionen sollte man nicht allzu ernst nehmen.

Deine Krimikurzgeschichte „Nasse Erde“ gibt es nur als Hörbuch. Warum das?

Das Hörmordkartell ist ein innovatives, aufstrebendes Unternehmen. Kurze Texte werden mit professionellen Stimmen vertont und zu einem fairen Preis zum Anhören für zwischendurch verkauft. Ich finde die Idee, Kurzgeschichten zu vertonen, großartig. Die Geschichte zu „Nasse Erde“ stammt aus einem Romanmanuskript über eine Frau, die sich in mehrfacher Hinsicht zu befreien versucht. Nach beruflichen wie privaten Rückschlägen begibt sie sich in ein weitläufiges Waldgebiet, um alleine in Ruhe nachzudenken, wobei ihr so einiges zustößt. Der Roman zur Kurzgeschichte wird von mir gerade überarbeitet und erscheint hoffentlich irgendwann. Ich bin noch unschlüssig, ob es ein Thriller oder ein Entwicklungsroman werden wird. Es ist eine Mischung, würde ich sagen und zum ersten Mal schreibe ich in der ICH-Perspektive. Ein Roman ohne eine einzige Leiche (auch eine neue Erfahrung für mich, grins).

Hast du schon einmal daran gedacht, die beiden Genres Krimi und historischer Roman zu einem historischen Krimi zusammenzubringen?

Danke für diese Frage. Ja. Genau, das ist mein Plan. Im Moment arbeite ich an einer Reihe von historischen Schloss-Krimis. Sie spielen in der Zeit der österreich-ungarischen Doppelmonarchie. Eine wundervolle, sehr ereignisreiche, aber auch skurrile Zeit. Es wurde viel salutiert und gebuckelt, oft zum Gruß der Hut gelüftet und es wurden viele Damenhände geküsst. Und die Sprache war in manchen Kreisen unglaublich indirekt und voll Standesdünkel. Die Recherche allein ist ein Vergnügen.

Gibt es einen Schriftsteller oder eine Schriftstellerin, die du als dein literarisches Vorbild betrachtest?

Einige: Oscar Wilde, Agathe Christie, Marion Zimmer Bradley (Avalon), Jane Austen, Stefan Zweig. Arthur Schnitzler, Walter Kappacher und viele mehr: Autoren und Autorinnen, welche tief in die Seelen der Figuren blicken.

Hast du neben dem Schreiben noch andere Hobbys?

Da ich neben dem Schreiben dreißig Stunden die Woche an der Universität Wien arbeite, bleibt nicht viel Zeit übrig. Aber viel Bewegung an frischer Luft, ein Abenteuer hie und da (so wie kürzlich eine Klettertour durch eine vertikale Höhle in Kroatien) müssen sein. Man sucht als Autorin schließlich ständig nach Inspiration.

Schreibst du schon an einem neuen Buch?

Wie oben erwähnt, schreibe ich gerade an einer historischen Krimi-Reihe. Wieder geht es um viel Zwischenmenschliches. Der Erste spielt 1898 im Schloss Hof im Marchfeld (ist also auch der dritte Marchfeld-Krimi), der zweite 1908 im Schloss Belvedere in Wien. Da kenne ich mich gut aus. Zehn Jahre lang arbeitete ich in der Galerie im Belvedere als Chefsekretärin. Der erste Teil liegt zur Prüfung bei Verlagen. Während ich auf Antworten warte, (dauert gefühlte Ewigkeiten) schreibe ich am zweiten Teil.

Was möchtest du den Leser*innen sonst noch erzählen?

Das Ehrenamt der österreichischen Oberschwester des Vereins der Mörderischen Schwestern zur Förderung weiblicher Kriminalliteratur bereitet mir große Freude. Unter anderem organisiere ich jedes Jahr eine Benefiz-Gruppen-Lesung unter dem Titel „Ladies Crime Night“. Zur Lesung 2017 kann man einen Mitschnitt im YouTube Zäuners Krimisalon ansehen – siehe Link am Ende des Artikels
Schaut doch auch beim Verein vorbei und folgt uns: Link siehe am Ende des Interviews

Vielen Dank für das Interview, Christine Neumeyer. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg mit deinen Büchern.

Vielen Dank, Ann-Bettina, für dieses Interview und vielen Dank an alle Leserinnen und Leser für das Interesse.

Auf die Autorin bezogene Werbung:
Homepage der Autorin: http://homepage.univie.ac.at/christine.neumeyer/Autorenhomepage/
Hörmordkartell:
https://hoermordkartell.de/Austria-Krimi/Nasse-Erde-Christine-Neumeyer::112.html
Mörderische Schwestern: https://www.moerderische-schwestern.eu/start/
Zäuners Krimisalon:
https://www.meinbezirk.at/rudolfsheim-fuenfhaus/lokales/krampus-benefiz-ladies-crime-night-in-wien-d2268640.html