Heute habe ich wieder eine Krimi-Autorin zu Gast, die sich auf Regional-Krimis spezialisiert hat.
Guten Tag Christina Schwarz.
Gerade ist dein neuester Krimi „Wenn der Puppenspieler dir begegnet“ herausgekommen. Um was geht es in diesem Fall?
Hier geht es um das große Thema Manipulation in all seinen Formen und Facetten. Und im Sektenmilieu als einer besonderen Form der manipulativen Gehirnwäsche ist auch der Kriminalfall eingebettet.
Mittlerweile hast du schon sechs Bände deiner Anderlech Krimis veröffentlicht. Dabei ist der erste Band erst 2017 erschienen. Hattest du die Krimis „auf Vorrat“ geschrieben?
Nein, lach. Es ist eher Ausdruck meines Schreibdrangs und meiner Art, mich immer tausendprozentig in etwas hineinzuwerfen, was mir wichtig ist. Ich bin ein absoluter Workaholic und schreibe acht bis zehn Stunden am Tag. Als ich den ersten Band geschrieben hatte, hatte ich gar nicht vor eine Romanreihe zu schreiben. Dieser spezielle Kommissar hat sich einfach in das zweite Buch gedrängt und hat die Zügel seither nicht mehr aus der Hand gegeben.
In Band 5 „Wenn die Spinne ihr Netz verlässt“ geht es unter anderem um rechte Propaganda und Facebook. Greifst du bei deinen Krimis öfter aktuelle Themen und Probleme auf?
Eigentlich immer. Ich selbst bin ein politischer und gesellschaftskritischer Mensch. Mich bewegen so unendlich viele Themen, seien sie psychologischer, philosophisch-ethischer oder auch sozialer/gesellschaftspolitischer Art. In meinen Romanen kann ich mich auf eine Art und Weise damit auseinandersetzen, wie es mit dem gesprochenen Wort oft nicht möglich ist. Ich lasse meinen Protagonisten die Zeit zur Entwicklung und Veränderung, besetze durch meine Figuren gleichzeitig verschiedenste Aspekte eines Themas und lasse die aufgeworfenen Fragen offen. Der Leser soll fühlen können, emotional verschiedene Perspektiven erleben und seine eigenen Antworten finden. In meinen Romanen gibt es keinen moralischen Zeigefinger. Botschaften sind subtil, oft zwischen den Zeilen gehalten. Das ist mir wichtig.
Neben deiner Krimireihe gibt es zwei Bücher mit Lyrik und Flash Fiction: „Flash Mystery“. Was hat man sich denn unter Flash Fiction vorzustellen?
Flash Fictions sind Kürzestgeschichten, die in der Regel nicht mehr als ein, zwei Normseiten umfassen und ein unerwartetes Ende haben. Sie können satirisch, märchenhaft auch boshaft und skurril sein. Sie bauen pures Gefühl auf, weniger Handlung, ziehen im optimalen Fall den Leser in seinen Bann und verblüffen mit dem Ende, das dem Inhalt der Geschichte sozusagen die Krone aufsetzt. Ein kleines Beispiel:
Der Tod
Es klopft an der Tür, leise, zaghaft fast. Sie humpelt die wenigen Schritte, um zu öffnen. Da steht ein verschrumpeltes Männchen davor. Den Kopf hält es vorsichtig gesenkt, so, als wisse es, dass sein Besuch nicht erwünscht ist. Die Alte faucht ihm entgegen:
„Du schon wieder? Du warst doch erst letztes Jahr da. Meine Antwort ist dieselbe. Nein, und jetzt verschwinde.“
„Aber Mädle, die Zeit verrinnt und man hat mich gebeten …“
Mit dem Stock schlägt sie in die Luft und er hört ihn gefährlich nahe an seinem Ohr vorbeisausen.
„Kruzitürken. Bist du taub?“, kreischt sie. „Ich habe keine Zeit. Soll ich dir das buchstabieren? Mein Mann wartet auf mich, bei meiner Tochter muss ich auch noch vorbeischauen und die Nachbarin braucht auch ganz dringend meine Hilfe. Ohne mich kommen die alle doch gar nicht zurecht. Frag sie doch.“
„Warum glaubst du, bin ich hier?“
Spannend finde ich auch deinen YouTube-Kanal „Christinas Schreibstube“. Wenn ich das richtig sehe, gibt es dort zu jedem deiner Krimis ein Video. Wie bist du auf die Idee zu diesem Format gekommen?
Die Idee war, Einblicke in mein Leben als Autorin zu geben, meine Bücher mit bewegten Bildern lebendig werden zu lassen. Einen Ort zu haben, kleine Lesungen zu veranstalten und zu unterhalten.
Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du für das Schreiben deine Psychotherapeuten-Praxis geschlossen hast. Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Eigentlich sehr indirekt. Es war nicht so, dass ich schreiben wollte und deshalb die Praxis aufgegeben habe, sondern umgekehrt. Ich war ausgebrannt und gesundheitlich sehr angeschlagen. Ich habe mich daher durchgerungen, die Praxis zu schließen, was wirklich nicht leicht war. Ich versprach meinen Klienten, ein Sachbuch zu schreiben, mit dessen Hilfe sie sich selbst weiterhelfen konnten. Dieses Versprechen habe ich gehalten und das Fachbuch zur Selbstbehandlung geschrieben. Während dieses Schreibprozesses merkte ich, wie viel Freude es mir machte und sehr schnell war mir klar, dass ich Kriminalromane schreiben möchte, denn an nichts lassen sich menschliche und gesellschaftliche Abgründe besser darstellen als im Verbrechen. Ich sage bewusst immer Romane, weil meine Krimis sehr belletristisch geschrieben sind.
Hast du noch andere Hobby neben dem Schreiben? Oder würdest du das Schreiben nicht als Hobby bezeichnen?
Schreiben ist für mich ein Beruf, den ich sehr diszipliniert ausübe. Während davor die Psychologie meine Arbeit war, ist sie nun zum Hobby geworden, sprich, ich beschäftige mich damit je nach Lust und Laune. Das macht für mich ein Hobby aus. Daneben koche ich gerne für Freunde. Ich lese gern, v.a. Klassiker wie S. Zweig, Zola, Dostojewski usw. Ich möchte nicht nur unterhalten werden, sondern möchte mich geistig mit den Inhalten auseinandersetzen, meinen eigenen Denkhorizont ständig erweitern.
Hast du schon ein weiteres Buch geplant? Krimi, Lyrik oder?
Klar steht der siebte Anderlech an, allerdings möchte ich mir da erst einmal Zeit lassen. Flash Mystery entsteht fast automatisch währenddessen, den das Schreiben von Lyrik und Flash Fictions entspannt mich ganz ungemein. Ich kann mir kaum einen Tag vorstellen, wo nicht ein Gedicht oder solch eine Minigeschichte entsteht.
Was möchtest du den Leser*innen sonst noch erzählen?
Ohne konkrete Fragen fällt mir das schwer, zu beantworten. Ich denke mir immer, was sollte die Leser an mir schon interessieren? Ich lebe in und durch meine Bücher, meine Protagonisten. Wer sich auf sie wirklich einlässt, lernt auch mich kennen. Das Wichtigste ist für mich gelebte Toleranz und das bedeutet für mich: Nicht zu verurteilen, was ich selbst vielleicht nicht kenne oder verstehe. Das gilt auch für meine Romanfiguren. Wer sich die Zeit nimmt und die Bereitschaft besitzt, sich auch in sie hineinzuversetzen, wird mehr als nur den Krimi lesen. Manche Handlungsweisen werden manchmal erst durch die späteren Bände völlig plausibel und nachvollziehbar. Wie im richtigen Leben halt auch. Da erzählst du einem Fremden auch nicht gleich alles von dir, was und warum dich bewegt.
Vielen Dank für das Interview, Christina Schwarz. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß und Erfolg mit dem Schreiben.