Rezension: „Warum der Antisemitismus uns alle bedroht“ von Michael Blume

Cover des Buchs "Warum Antisemitismus uns alle bedroht"

Titel: Warum Antisemitismus uns alle bedroht. Wie neue Medien alte Verschwörungsmythen befeuern
Autor: Michael Blume
Hardcover, 176 Seiten, auch als eBook und als CD-Rom erhältlich, Patmos-Verlag

Der Autor: Dr. Michael Blume wurde in Baden-Württemberg geboren. Als evangelischer Christ wurde er Gründungsmitglied der Christlich-Islamischen Gesellschaft Region Stuttgart e. V. Er ist mit einer Deutschtürkin sunnitischen Glaubens verheiratet. Sie haben drei Kinder und leben in Filderstadt.
Nach einer Banklehre studierte Blume erst Volkswirtschaftslehre, wechselte dann aber zu Religions- und Politikwissenschaft. 2003 wurde er Referent für den Dialog mit Muslimen im Staatsministerium Baden-Württembergs. Im Jahr 2006 promovierte er mit einer Arbeit über Religion und Hirnforschung. In den Jahren 2015 und 2016 leitete Blume das Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder des Landes Baden-Württemberg. In dieser Funktion brachten er und sein Team 1.100 jesidische Frauen und Kinder, die Opfer des Islamischen Staates gewesen waren, aus dem Irak nach Deutschland.
Neben seinen Tätigkeiten in der Verwaltung und Politik arbeitet Blume als Hochschullehrer und Buchautor.

Das Buch: Durch das Internet und die Sozialen Medien erhält der Antisemitismus neuen Aufschwung. Er bedroht uns alle, unseren Frieden, den Rechtsstaat und die Demokratie. Daher müssen wir seine Wurzeln erkennen und bekämpfen, um ihn endlich überwinden zu können.

Michael Blume zeigt in seinem Buch, dass der Antisemitismus so alt ist, wie das Judentum selber. Er hält den Antisemitismus für wesentlich gefährlicher als „normalen“ Rassismus, weil er den Mythos der Weltverschwörung beinhaltet. Dadurch werden immer wieder neue Bevölkerungsgruppen zu „Helfern der Juden“ erklärt und damit deren Verfolgung gerechtfertigt.

Die Wurzel des Antisemitismus ist nach Blumes Meinung die Entwicklung der Alphabet-Schrift und die schnelle Verbreitung von Wissen unter den Juden durch deren Bildungseifer. Damit wäre Antisemitismus im Endeffekt die Ablehnung von Bildung für Alle, Wissenschaft und Fortschritt. Der Autor sieht Antisemitismus überall, wo sich jemand gegen die Weiterentwicklung der Gesellschaft stellt, beispielsweise in Impfgegnern. Meiner Meinung nach kommt er damit selber einer Verschwörungstheorie sehr nahe.

Nun gibt es Verschwörungsmythen nicht nur in Bezug auf Juden, wie uns beispielsweise die aktuelle Situation in der Türkei zeigt. Jeder, der Erdogan nicht unterstützt, wird zum Gülen-Anhänger erklärt. Gülen wird von Erdogan für den Putschversuch gegen ihn verantwortlich gemacht und ist daher zu verfolgen. Ebenso seine Anhänger. Etwas an den Haaren herbeigezogen kann man argumentieren, dass Gülen sich ja auch für Bildung eingesetzt hat. Wer gegen Gülen ist, ist also eigentlich gegen Bildung und damit ein Antisemit.

Natürlich kann Michael Blume für sich Antisemitismus definieren wie er möchte, für die allgemeine Diskussion ist das aber nicht hilfreich. Schließlich ist es immer sinnvoll, sich erst einmal darüber zu einigen, über was wir überhaupt reden wollen.

Definition des Antisemitismus, wie sie die Bundesregierung im September 2017 offiziell angenommen hat:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“

Diese Definition, die sich sicher mehr oder weniger mit der Vorstellung der meisten Menschen decken dürfte, weicht doch sehr stark von Blumes Definition ab. Ich kann seinen Ausführungen auch nicht entnehmen, warum der Antisemitismus heute als weltweites Phänomen noch so präsent ist. Letzteres kann natürlich an mir liegen. Vielleicht auch an einer gewissen Begriffsverwirrung in Bezug auf „Antisemitismus“.

Mein zweiter Kritikpunkt besteht darin, dass der Autor sich sehr lange und ausführlich über die Einführung der Buchstaben-Schrift und deren Folgen sowie über den Unterschied zwischen einer Verschwörungstheorie und einem Verschwörungsmythos auslässt. Die neuen Medien und deren Einfluss werden im Vergleich damit recht kurz abgehandelt. Vor allem fehlt mir da auch ein Handlungsvorschlag. Ich hatte von dem Buch weniger historische Aufarbeitung, dafür aber mehr aktuelle Bezüge und Lösungsmöglichkeiten erwartet.

„Warum Antisemitismus uns alle bedroht“ konnte mich daher nicht so wirklich überzeugen, im Gegensatz zu seinem Vorgänger „Islam in der Krise“.

Das Buch wurde mir für diese Rezension freundlicherweise vom Patmos-Verlag zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Das hat meine Meinung zu diesem Buch aber nicht beeinflusst.

Auf das Buch bzw. den Autor bezogene Werbung:
Verlagshomepage: www.PATMOS.DE
Wissenschaftsblog des Autors: https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens
Homepage des Autors: http://www.blume-religionswissenschaft.de