Mein heutiger Interview-Gast ist eine Krimiautorin, die mir durch ihr Buch „Wütende Wölfe“ aufgefallen ist.
Guten Tag Nicola Förg.
Du schreibst Krimis, die hauptsächlich in den Alpen spielen. Nun gibt es zahlreiche Regionalkrimis aus dieser Gegend. Die Besonderheit deiner „Irmi Mangold“ Krimis besteht darin, sie mit aktuellen Fragen wie der Rückkehr der Wölfe in unsere Wälder zu kombinieren. Was hat dich auf diese hervorragende Idee gebracht?
Zum einen: Einfälle entstehen aus Beobachten und Gesprächen, so pauschal kann ich das nicht sagen. Aber ich spüre dann, dass mich ein Thema packt! Wie aktuell die Rückkehr der Wölfe. Gleichzeitig stelle ich fest, dass es eine wahnsinnig aufgeheizte, gesellschaftspolitische Diskussion darüber gibt. Ich fuchse mich in die Thematik rein und konstruiere aus diesem zentralen Anliegen heraus dann eine Krimihandlung drum herum. Die Ideen liegen im Alltäglichen und meinem Fall immer im Bereich von Umwelt- und Naturschutz. Zum zweiten mag ich den Begriff „Regionalkrimi“ nicht so sehr. Erstens spielen Krimis immer irgendwo, die Landschaft, das Wetter, die Historie, die Mentalität prägen die Menschen und sind wichtige Zutaten zur Authentizität einer Geschichte. Auch Donna Leon oder Henning Mankell schreiben „Regionalkrimis“. Das Wort nervt aber erst recht in Verbindung mit Allgäu oder Alpen. In den letzten Jahren hat es sich in den Köpfen der Menschen so festgesetzt, dass ein Krimi aus dem Süden Schenkel klopfende Heiterkeit verbreiten muss – und Bücher, eher Kabarett und Slapstick denn Buch sind. Es geht doch primär um menschliche Abgründe und um Mord, was ich wenig heiter finde..
Deine zweite Krimi-Reihe dreht sich um den Kommissar Weinzirl. Was ist deren Erkennungsmerkmal?
Diese Bücher sind in der Tat regionaler. Sie spielen zwischen Starnberger See und dem Auerberg im Pfaffenwinkel. Ihre Themen generieren sich aus der Region und auch nur dort. Will meinen, es geht um Moral, Werte, Normen, die nicht mehr zeitgemäß sind, es geht um eine bäuerliche Welt, die mit der der Städter kollidiert. Es werden in der Regel keine rumänischen Mädchenhändlerringe in Weilheim gesprengt, das wäre furchtbar konstruiert. Ich mag beide Serien: Die Irmi Mangold Kriminalromane sind auch thematisch komplexer und komplizierter für mich zu schreiben. Ein Weinzirl-Krimi, der im Sachsenrieder Forst oder am Forggensee spielt, funktioniert vor allem im Nahraum, wo die Menschen leben, die genau diese Gegend kennen und lieben.
Du bist ausgesprochen produktiv. Wenn ich das richtig gesehen habe, veröffentlichst du mehrere Bücher pro Jahr. Bist du so eine disziplinierte Schreiberin oder wie machst du das?
Das ist mein Beruf! Ein Beruf, der seine Tücken hat wie jeder andere auch. Es geht nicht nur um Kreativität, auch um Disziplin. Gerne vergleiche ich meine Arbeit mit der eines Gehirnchirurgen, der sicherlich auch mal einen schlechten Tag hat und dann lieber einen Blinddarm operieren würde. Letztlich habe ich innerhalb eines Buches viele Möglichkeiten, wie ich es schreibe und gestalte. An einem weniger kreativen Tag lasse ich die Kommissare halt mal in der Badewanne dümpeln und über ihr Leben nachdenken oder ich recherchiere etwas, das ich noch näher spezifizieren will und muss. Aber ich habe Buchverträge mit meinem Verlag, das sind oft auch Mehrbuchverträge, die ich aber auch erfüllen muss. Zumeist ist das ein Buch pro Jahr, das immer zu einem fixen Zeitpunkt erscheint. Und da hängen andere Leute mit ihrer Arbeit dran, es wäre sehr destruktiv, wenn ich meine Teil der Arbeit nicht erledigen würde. Und meist ist es ein Buch im Jahr, ab und zu sind es mal zwei, das wird dann auch echt „sportlich“!
Ganz passend zu deinen Alpen-Krimis lebst du selber mit deiner Familie und einer Menge Tiere auf einem Hof mit Wald und Wiesen. Haben deine Vierbeiner dich zu den Tiergeschichten animiert, die du neben den Krimis veröffentlicht hast?
Ich arbeite auch in geringem Umfang noch als Journalistin und gestalte eine wöchentliche Tierseite im Münchner Merkur, jede Woche eine ganze Seite zu Haustierthemen, Wildtieren und Umweltschutz. Tiere sind eine Passion, sie sind wahrhaftig, manipulieren dich nicht, sind anrührend, klug und unvergleichlich witzig. Sie sind einfach Teil unseres Lebens. Und dann hat man natürlich immer auch tierische Anekdoten im Kopf.
Die Katzen auf deinem Hof scheinen alle Findelkinder mit tollen Namen wie „Hagen vom Brückengestade“ zu sein. Bist du auch darüber hinaus im Tierschutz aktiv?
Ich würde mich nicht als Tierschützerin, sondern eher als Tierfreundin bezeichnen. Mit Tierschützerin assoziiere ich auch mal gebotoxte hysterische Society-Frauen, die einen rumänischen Straßenhund in die Kamera halten. Natürlich lese ich für Tierheime oftmals als Charity umsonst. Und natürlich geht es mir auch darum, Haustieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen, natürlich haben wir halbverreckte Katzenkinder aufgepäppelt, arme Pferde mit Hufrehe aufgenommen, ein Rehkitz mit der Flasche großgezogen… Tierschutz ist auch Wildtierschutz. Uns Menschen sollte endlich bewusst werden, dass wir alle nur diese eine Welt haben, und zwar zusammen mit all unseren Mitgeschöpfen!
Auf deinem „Ponyhof“ können Kinder auch Pferdetrekkingtouren machen. Das ist aber doch sicher für dich auch mit Arbeit verbunden. Wie schaffst du das alles – Schreiben, die Tiere versorgen und dich um die Gäste kümmern?
Alles eine Frage der Logistik! Man braucht Leidenschaft, einen gewissen Eigensinn, also eigenen Sinn! Durchhaltevermögen, Pragmatik und das Wissen, dass ich mich gar nicht wichtig für den Weltenlauf erachte.
Du hast es sogar zu einer eigenen Wikipedia-Seite gebracht. Hast du die selber angelegt oder war das ein Fan von dir?
Das wird wohl so sein. Ich war das sicher nicht, ich hab sie noch nie gelesen. Ich lese auch keine Rezensionen auf Amazon oder Weltbild, bin nicht bei Facebook oder Instagram. Das alles lenkt nur vom Wesentlichen ab, dem Leben! Voll analog! Und ganz analog mache ich sehr gerne Lesungen. Einzig das Reisen kann zur Tortur werden. Entweder stehst du im Stau, oder sitzt in der überfüllten Bahn, die nie zu der Zeit dort ankommt, wo sie ankommen sollte … Aber diese ein, zwei Stunden vor Ort, auch die Gesprächsrunden nach der Lesungen geben mir viel.
Schreibst du schon an einem neuen Buch?
Natürlich. Siehe oben. Es gibt Abgabetermine und Verträge. Der neue Krimi wird etwas mit Wald zu tun haben. Jetzt gehen plötzlich alle zum Waldbaden. Früher ist man spazieren gegangen und hat tief durchgeatmet, heute legt man ein Mandala und umarmt die Bäume. Tja, die Menschheit wird immer irrer!
Was möchtest du den Leser*innen sonst noch sagen?
Ich wünsche allen, ihr Leben wieder analog zu führen und mit realen Menschen zu verbringen! Diese Internetgläubigkeit ist furchtbar, nehmen wir nur das eingangs erwähnte Thema, die Wiederkehr des Wolfes. Ich halte wenig von der überemotionalen Diskussion der Pro und Contra Lager. Weder ist der Wolf eine Rückkehr der Wildnis, der kommt auch gut auf Truppenübungsplätzen zurecht. Noch ist es das blutrünstige Monster. Wir täten gut daran, kluge Einzelfallentscheidungen zu treffen. Die kann aber nur treffen, wer informiert ist und nicht alles glaubt, nur weil es in einer schönen Verpackung daher kommt. Die Menschheit verblödet galoppierend. Das beste Beispiel ist es doch, dass man sich zuhause eine Alexa hinstellt, die einem das Schuppenshampoo und das Katzenfutter bestellt. Warum verzichten die Menschen auf eigenes Denken? Warum exponieren sie sich in sog. sozialen Netzwerken, machen sich zum Affen und beklagen sich dann über Reaktionen? Alles auch Anzeichen dafür, wie weit der Mensch sich vom Menschenverstand und der Natur inzwischen entfernt hat. Allein deshalb glaube ich auch nicht, dass mir die Themen irgendwann ausgehen.
Vielen Dank für das Interview, Nicola Förg. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg für deine zahlreichen Aktivitäten.
Auf die Autorin bezogene Werbung:
Homepage der Autorin: http://www.nicolafoerg.de/