Interview mit dem Autor Peter Iwaniewicz

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Foto: Manfred Weis

Auf meinen heutigen Interview-Gast bin ich durch sein Buch „Menschen, Tiere und andere Dramen“ aufmerksam geworden.

Guten Tag Peter Iwaniewicz.

Den Titel deines Buches „Menschen, Tiere und andere Dramen. Warum wir Lämmer lieben und Asseln hassen“ finde ich ein bisschen irreführend. Für mich klingt das nach wissenschaftlicher Abhandlung, was ja nicht zutrifft. Ist das Absicht? (Das ist keine Beschwerde – das Buch hat mir sehr gut gefallen)

Menschen-Tiere

Ich wollte sicher keine wissenschaftliche Abhandlung schreiben, sondern ein Buch für Leserinnen und Leser, die sich mit den Aufregungen, die Kontakte zwischen Tieren und Menschen oft verursachen, auf angenehm lesbare, unterhaltende, aber doch auch faktenbasierte Weise auseinandersetzen wollen.

Seit 25 Jahren schreibst du in der österreichischen Zeitschrift „Falter“ eine wöchentliche Kolumne über Tiere. Bei aller Tierliebe – wird das nicht mal langweilig. Keine Lust mal etwas anderes zu schreiben?

Ja, natürlich habe ich mich manchmal thematisch eingeengt gefühlt. Aber dann wiederum ist es mir oft auch eine Hilfe, mich nicht in der unendlichen Vielfalt der Themen zu verlieren. Meine ersten Kolumnen waren sehr stark von biologischen Informationen dominiert, dann habe ich aber den „Professor“ hinter mir gelassen und versucht, eine stilistische Form zu finden, die auch Menschen anspricht, die eigentlich keinen oder nur negativen Bezug zur Tierwelt haben. Und so geht es in meinen Texten mal mehr um menschliche Aspekte und dann wieder mehr um einzelne Tierarten und ihre Bedeutung für uns.

Insekten nehmen nicht nur in der Tierwelt einen großen Raum ein, sondern auch in deinem Buch. Dabei treten Käfer & Co. dort ausgesprochen unterhaltsam auf. Gibt es eine Erklärung dafür, dass im deutschsprachigen Raum die meisten Wissenschaftler unfähig sind, allgemein verständlich oder sogar fesselnd über ihre Arbeit zu schreiben?

Ich habe mir viel vom Stil und Aufbau von angloamerikanischen WissenschaftsautorInnen abgeschaut. In den USA wird „creative writing“ selbstverständlich an den Colleges und Universitäten unterrichtet. Im deutschen Sprachraum herrscht – leider – noch die Meinung vor, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in einer möglichst komplexen Fachsprache kommuniziert werden müssen. Ich unterrichte auch Wissenschaftskommunikation an der Uni Wien und einer pädagogischen Hochschule und die ersten Wochen der Lehrveranstaltungen verbringe ich immer damit, den Studierenden beizubringen, dass Stopfsätze über zehn Zeilen mit zahllosen Nebensätzen Kompetenz nur vortäuscht. Kompakte Sätze mit passenden Verben, ein Nebensatz – so versteht man einen Text, ohne zurücklesen zu müssen, also nochmals beim Satzanfang ein zweites Mal beginnen zu müssen.
Ich vermute hinter diesem komplizierten Schreibstil auch ein seltsames Elitedenken. Ein Professor hat zu mir in meiner Studienzeit gesagt: „Wissenschaftliche Texte müssen nicht verständlich sein. Es ist Aufgabe eines Akademikers, sich die Inhalte selbst zu erarbeiten. Wer das nicht kann, braucht die Publikation auch nicht lesen“.
Das ist, um es mit den Worten der Poeten zu formulieren, Bullshit!

Zurzeit reden alle über das große Insektensterben. Gartenbesitzern wird geraten, bestimmte Pflanzen im Garten zu halten, um Insekten eine Nahrungsquelle zu bieten. Das klingt ja erst einmal sinnvoll. Aber nutzt es wirklich etwas, wenn gleichzeitig auf den Feldern massenhaft Gifte verteilt werden. Sind Insekten „schlau genug“, sich dort dann nicht aufzuhalten?

Leider werden Gärten im Vergleich zu landwirtschaftlichen Flächen noch viel stärker mit Insektiziden behandelt. Privaten GärtnerInnen sind die finanziellen Kosten dafür egal, wenn es um ihre Tulpengruppe geht. Landwirte hingegen denken ökonomisch und spritzen nur so viel, wie sie „müssen“. Doch auch das ist zu viel, wie man am immer deutlicher werdenden Insektensterben sieht. Ich halte den drastischen Rückgang der wirbellosen Tiere für eine Katastrophe, die uns noch viel früher als die Auswirkungen des Klimawandels Probleme bereiten wird.
Erst jetzt wird man sich der Bedeutung von Insekten als unverzichtbarer Faktor bei der Obst- und Gemüseproduktion bewusst. Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Himbeeren, ein Großteil unserer Früchte wird von Bienen und Hummeln bestäubt. Aber auch Mandelbäume, Melonen, Paprika, Kürbisse und ca. 90 andere Gemüsesorten sind von den Insekten abhängig. Auch Fleischesser werden davon betroffen sein: Denn wer einen Hamburger isst, verdankt das indirekt Bienen und Hummeln, die auch die Bestäubung des pflanzlichen Viehfutters wie des Rotklees übernehmen.
Diese sogenannte Ökosystemdienstleistung der Insekten wird vom Biodiversitätsrat der UN auf jährlich etwa ein halbe Trilliarde Dollar berechnet.
Insofern ist jede Maßnahme, die Lebensraum für Insekten schützt sinnvoll. Schaut auch auf die aktuelle Initiative des Künstlers Edgar Honetschläger: www.gobugsgo.org

Wie heißt denn nun die Antwort auf die Frage des Untertitels „Warum wir Lämmer lieben und Asseln hassen“?

Das ist eine überraschende Erkenntnis für mich, dass der Untertitel des Buchs offenbar stärker wahrgenommen wird, als der eigentliche Titel. Ich hatte schon zwei Interviews mit deutschen Radiosendern und jedes Mal haben sich die Moderatoren fast ausschließlich auf diese Frage konzentriert.
Um es auf eine kompakte Antwort zu verkürzen: Lämmer sind Haustiere, die wir über Jahrtausende so gezüchtet haben, dass sie keine gefährlichen Wildtiere mehr sind, sondern mit uns auch eng zusammenleben können. Ihr Verhalten hinsichtlich Aggression, Fluchtneigung, Nahrungskonkurrenz, etc. ist kompatibel mit unseren Bedürfnissen.
Asseln sind hingegen – anders als Honigbienen – ungezähmte, weil von uns nicht erwünschte Tiere. Darauf reagieren wir reflexartig mit Ablehnung. Die Hauptbotschaft in meinem Buch ist daher auch: Schlagt nicht gleich auf jedes Tier ein, sondern seht es euch zuerst einmal an. Entdeckt seine Schönheiten, wie reagiert es? Könnt ihr Kontakt aufnehmen? So kann man eine der „lästigen“ Wespen nicht immer nur hysterisch wegwedeln, sondern auch versuchen, sie anzulocken. Auf welches Futter reagiert sie? Erkennt ihr individuelle Unterschiede zwischen den einzelnen Wespen? Und plötzlich wird man dieses Tier nicht als anonyme Bedrohung wahrnehmen, sondern als Individuum.

Hast du selber Haustiere? Oder reicht dir der berufliche Umgang mit Tieren?

Als Student hatte ich mal zwei Laborratten gerettet und mit nach Hause genommen. Ich war über deren Intelligenz wirklich verblüfft. Meinen Kindern habe ich einmal Stabheuschrecken als Haustiere gegeben. Sehr einfach zu halten und mit Rosenblättern zu füttern.
Heuer ist mein Kater Karlo, dem ich auch das Buch gewidmet habe, leider verstorben. Das war nach 15 Jahren des Zusammenlebens ein sehr trauriger Moment, denn ich habe ihn als gleichwertiges Lebewesen mit Gefühlen, Ängsten und Freuden wahrgenommen.

Bleibt bei deiner Arbeit an der Universität Wien, dem Bundesministerium und dem Schreiben noch Zeit für Hobbys?

Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich. Ich spiele seit 30 Jahren noch immer mit großer Hingabe Badminton. Und um es gleich vorwegzunehmen, für die Gänsefedern der Bälle werden nur die sonst in der Fleischproduktion wertlosen Flügel der Tiere genommen.

Wird es demnächst ein weiteres Buch von dir geben?

Ja, die Zusammenarbeit mit meinem Verlag Kremayr & Scheriau war so angenehm und motivierend, dass ich für nächstes Jahr ein neues Buch plane. Stilistisch möchte ich dabei etwas Neues probieren und Kriminalstorys im Stil Raymond Chandlers „hardboiled novels“ schreiben. Natürlich ist der „hartgesottener Ermittler“ ein Biologe, der immer zu seltsamen Tatorten gerufen wird, wo Tiere entweder Täter oder Opfer sind. Das Ganze wird natürlich wieder mit viel Ironie, aber auch tierischen Fakten geschrieben werden. Ich bin schon selbst gespannt, wie sich das Schreiben entwickeln wird.

Was möchtest du den Leser*innen sonst noch erzählen?

Mein erstes Buch ist 1997 erschienen. Das war noch weit vor der digitalen Medienrevolution. Eine jetzt neue Erfahrung sind für mich Webforen, wo sogenannte Influencer Rezensionen verfassen. Diese werden auch von den Verlagen als zunehmend wichtige Personen für das Marketing von Publikationen erkannt und umschwärmt. Soziale Medien funktionieren am besten durch Emotionen, Fachinhalte hingegen bekommen weniger Likes und Aufmerksamkeit. Darum sind rechte Populisten, die dieses Spiel viel besser beherrschen, zur Zeit auch im Vormarsch.
Die meisten Kritiken setzen sich genau mit Inhalt, Stil und Wirkung meines Buches auseinander. Aber es gibt auch RezensentInnen, die mehr daran interessiert sind, Stimmung zu machen, Aussagen absichtlich missverstehen wollen und gelinde gesagt nicht gut informiert sind. Der Vorwurf, Wikipedia als Quelle anzugeben sei unseriös, geht ins Leere, denn gerade die deutsche Wikipedia ist mittlerweile eine der bestgepflegten und sachlich kontrollierten Quellen im Internet.
Den Ratschlag erfahrener AutorInnen, weder auf positive, noch negative Kritik zu reagieren, habe ich berücksichtigt und lasse diese Meinungen wie einen ruhigen Fluss an mir vorüberziehen.

Vielen Dank für das Interview, Peter Iwaniewicz. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.

Ich danke Dir, Ann-Bettina Schmitz, für die Möglichkeit, in Deinem Blog zu Absichten und Aspekten meines neuen Buchs Stellung nehmen zu dürfen.